Burkhard C. Kosminski inszeniert hier ein raffiniertes Spiel mit vielen Identitäten, Selbstbespiegelungen und Verkleidungen. Mit Skepsis sieht der Narr dem Treiben der Verlorenen zu. Tiefsinn und Schwermut kennzeichnen seine Lebensweisheiten, obwohl er eigentlich als Clown auftritt. Die Handlung des Stücks geht auf eine Novelle Bandellos zurück. Eigene Zutat Shakespeares ist die Gestalt von Olivias Haushofmeister Malvolio, der im Stück als "Puritaner" bezeichnet wird. Wahrscheinlich ist diese Figur eine Verspottung des Puritanertums, mit dem sich Shakespeare in London wiederholt überworfen hatte.
Rote Vorhänge und durchsichtige Spiegel beherrschen die Szene, die sich optisch immer wieder verändert. Zu Beginn hängen die Protagonisten in der Luft, wirken hilflos und überfordert. Die unglückliche Liebe des Herzogs Orsino zur Gräfin Olivia erlebt im Laufe der Handlung viele eigentümliche Verwandlungen. Viola dient ihm nur als Liebesbotin, die auf hoher See ihren Zwillingsbruder verlor und die es jetzt nach Illyrien verschlagen hat. Sie leistet als Page Cesario verkleidet bei ihm ihre Dienste. In den angeblich hübschen Jüngling verliebt sich nun Olivia, während Viola in Liebe zu Orsino verfällt. Die raffinierte Verwechslungskomödie wird in der Inszenierung von Burkhard C. Kosminski in subtiler Weise auf die Spitze getrieben. Im weiträumigen Bühnenbild von Florian Etti und mit den Kostümen von Ute Lindenberg können sich die Protagonisten überzeugend entfalten.
Manche Details könnten hier noch verfeinert werden. Als Violas Zwillingsbruder plötzlich wieder auftaucht, ist das Chaos perfekt. Die Aufführung steigert ihr Tempo jetzt ganz erheblich. Olivia findet in Sebastian schließlich die Erfüllung ihrer Träume - und Orsino reicht der ihm treu ergebenen Viola die Hand. Das Netz- und Intrigenwerk rund um diese Rahmenhandlung wird von Burkhard C. Kosminski mit satirischem Spielwitz ausgeschmückt, wobei die Schauspieler ihre komödianischen Fähigkeiten in reichem Maße unter Beweis stellen können. Im Hause Olivias treibt nämlich der trunksüchtige Sir Toby Belch als Olivias Onkel sein Unwesen mit dem einfältigen Sir Andrew Aguecheek, wobei das Geschehen immer mehr aus dem Ruder läuft. So kommt es sogar zum absurden Zweikampf zwischen dem Junker und Viola.
Das Kammermädchen Maria inszeniert ein raffiniertes Spiel mit dem Haushofmeister Malvolio, den sie als "gezierten Esel" bezeichnet. Sie spielt dem eitlen Geck einen Brief ihrer Herrin zu, der ihn glauben macht, Olivia sei in ihn verliebt. Das erinnert alles schon sehr an Sir John Falstaff, was die Inszenierung auch gar nicht leugnet. Er erscheint vor der Gräfin schließlich mit "gelben Strümpfen, kreuzweise gebundenen Kniegürteln" und einem "stereotypen Lächeln", bevor er buchstäblich in der Versenkung verschwindet. Die Grafin wundert sich über sein Benehmen. Olivia liefert Malvolio zuletzt an Sir Toby aus, während er von Maria und dem Narren weiter verspottet wird. Die Gräfin möchte ihm aber seine Freiheit wiedergeben, obwohl Malvolio keinerlei Verständnis für das Possenspiel hat, das mit ihm getrieben wurde. Er sinnt auf Rache zu späterer Zeit. Doch die Inszenierung endet letztendlich versöhnlich.
Mit Stäben wird schließlich sogar in die Luft geschossen - Vögel und Wildschweine werden gnadenlos gejagt. Und auch sonst kommt es zu Slapstick-Szenen, wenn etwa Sir Andrew alle Zähne verliert. Das subtile Spiel der Verkennung und Täuschung wird in dieser rasanten Inszenierung auf die Spitze getrieben - auch dank der Musik von Hans Platzgumer mit zahlreichen eingängigen Songs. Sebastians Retter Antonio bleibt einsam zurück in seinem homoerotischen Begehren. Die elisabethanische Bühnenkonvention wird dabei genüsslich aufs Korn genommen, nach der Mädchenrollen von Kaben gespielt werden. In einer Reihe von Begegnungen mit Olivia kristallisiert sich die groteske Komik dieser Dreieckskonstellation immer mehr heraus. Immer unverstellter spricht Olivia ihre Gefühle aus. Viola besitzt ebenfalls eine Maske, um die Intensität ihrer Liebe zu Orsino in der stellvertretenden Werbung um Olivia zu artikulieren. Sie ist aber nicht Regisseuse dieses Verwechslungsspiels, denn die Fäden der Handlung entgleiten ihr immer mehr.
Gerade dieser Aspekt macht die Qualität der Inszenierung von Burkhard C. Kosminski aus, die auch in der Personenführung kaum Schwächen zeigt. Doppelgänger-Verwirrungen werden mit immer größerer Präzision verdeutlicht, das Motiv von Sein und Schein erreicht ständig neue Höhepunkte. Das Motiv der Täuschung und Selbsttäuschung findet sich vor allem bei Malvolio, der sich in seiner seltsamen Eigenliebe für einen würdigen Freier um die Hand seiner Herrin hält. Das absurde Duell zwischen dem kampfunwilligen Pagen Cesario und prahlerischen Feigling Sir Andrew Aguecheek endet auch im Chaos. Die lyrischen Gebilde der Lieder passen ebenfalls zum Geschehen. Dabei kommen die verschiedenen sozialen Schichten, Stilebenen und Tonlagen zum Vorschein. Derb-ausgelassener Tavernengesang reicht bis zum kunstvollen Lautenlied, das verhalten Orsinos Liebesmelancholie thematisiert. Sir Tobys burleske Rhetorik und Sir Andrews sprachliches Unvermögen werden in herrlicher Weise parodiert.
Doch wirkliche Melancholie will nicht aufkommen. Das liegt auch an den vorzüglichen Schauspielern, die alle Register ziehen. Peer Oscar Musinowski als Herzog Orsino gewinnt rasch darstellerisches Profil, Paula Skorupa brilliert in der komplizierten Doppelrolle von Viola und Sebastian, Katharina Hauter überzeugt als wandlungsfähige Gräfin Olivia, Christiane Roßbach mimt eine wunderbar hysterische Kammerfrau Maria, Felix Strobel ist ein höchst vituoser Narr. Anke Schubert spielt hervorragend den chaotischen Sir Toby Belch, während Klaus Rodewald als Sir Andrew Aguecheek ein ausgezeichnetes Charakterporträt präsentiert. Matthias Leja imponiert als Olivias Haushofmeister Malvolio mit fein differenzierter Darstellungskunst. Als Kapitän und Antonio gefällt auch Boris Burgstaller aufgrund seines Charakterisierungsreichtums.
So gab es am Schluss viel Premierenjubel.