Die Veränderung der rondoartigen Orchesterritornelle zeigten nicht nur im ersten Satz des "Frühlings" einen besonderen klanglichen Zauber, der sich immer weiter auffächerte. Beim Vogelkonzert verfeinerte sich das transparente Klangbild immer weiter, wobei die festliche Klangpracht und die präzisen Al-fresco-Wirkungen hervorstachen. Die formale Ausgeglichenheit des Hochbarock erfuhr immer wieder höchst virtuose Figurationen, die Lena Neudauer mit graziöser Bogentechnik ausschmückte. So wurde nicht nur das Murmeln der Wasserquellen in facettenreicher Weise porträtiert, sondern auch ein schlafender Hirte mit Geigen und Bratschen in einfühlsamer Weise beschrieben. Der Tanz der Nymphen und Schäfer erschien in Dudelsack-Anklängen. Die höchst artifizielle Entwicklung der Soli gewann starke Intensität und spieltechnische Leuchtkraft.
Die Dynamik des Gesamtablaufs paarte sich wirkungsvoll mit subjektivem Empfindungsausdruck. Die Wechsel von Tutti und virtuosem Solo sowie die Berührung der Paralleltonarten prägten die stets subtil gestalteten Themen. Und auch die schleppenden Akkorde des "Sommers" blieben hier stets nachvollziehbar. Mückenschwärme und Gewitterstimmung meldeten sich im Adagio - und beim Presto blitzten die Arpeggien auf. Ein fröhlich gestalteter Erntetanz zeichnete den "Herbst" aus, während sich die sehr nuanciert musizierten Staccati des "Winters" beim Publikum tief einprägten. Die melodische Entwicklung im Largo brachte bei Lena Neudauers Interpretation eine enorme Wärme ins Spiel, wobei der Regen mit reizvollen Pizzicato-Effekten beschrieben wurde.
Anschließend folgte "Cuatro Estaciones Portenas" ("Die Vier Jahreszeiten von Buenos Aires") im Arrangement von Leonid Desyatnikov von Astor Piazzolla. Dies ist eine interessante Antwort auf Vivaldis berühmtes Werk. Die Jahreszeiten werden hier aus der Perspektive der Einwohner von Buenos Aires ("der Portenas") geschildert. Leidenschaftliche und explosive Melodien prägten die markant musizierten Tango-Rhythmen, wobei die Vivaldi-Anklänge in fünfzehn direkten Zitaten deutlich und originell hervorragten. Piazzollas Sommer endet mit einem Zitat aus Vivaldis "Winter". Neben dynamischen Veränderungen blieb insbesondere das in bewegender Weise gestaltete Lento in fis-Moll in Erinnerung - und auch das machtvoll musizierte Fugenthema bei "Primavera Portena" gefiel aufgrund seines spieltechnischen Charakterisierungsreichtums.
Wütende Erregtheit und plötzliche Erstarrung kam bei Lena Neudauers vibrierendem Geigenspiel in hervorragender Weise zur Geltung. Da gewann die Violine plötzlich ein erregendes Eigenleben - und der Synkopenrhythmus sprühte feurige Funken. Begeisterter Schlussapplaus.