Die sensibel deklamierende Sopranistin Anja Kampe stand dann im Mittelpunkt der "Wesendonck-Lieder" von Richard Wagner. Es sind vertonte Gedichte seiner großen Liebe Mathilde Wesendonck. "Träume" und "Im Treibhaus" hat Wagner selbst als Studien zu "Tristan und Isolde" bezeichnet - und Marek Janowski betonte zusammen mit Anja Kampe und dem vorzüglichen SWR Symphonieorchester die opernhafte Emphase dieser Lieder. Chromatisches Fieber und klangliche Leuchtkraft blitzten immer wieder hervor. Die sich emporwindenden Terzen des Vorspiels zum dritten Akt und die geheimnisvolle Harmonik des zweiten Aktes waren sogleich erkennbar. Und auch die "unendliche Melodie" meldete sich
neben dem großartigen Zug ins Heroische.
Zum Abschluss erklang die gewaltige Sinfonie Nr. 3 in d-Moll in der dritten Fassung von 1889 des erklärten Wagner-Verehrers Anton Bruckner, der dieses Werk Wagner "in tiefster Ehrfurcht" widmete. Die Uraufführung im Jahre 1877 wurde jedoch zu einem Fiasko. Das Publikum verließ den Konzertsaal in Scharen und ließ den weinenden Bruckner zurück. Marek Janowski erfasste dieses zwischen tiefer Frömmigkeit und unbeschwerter Naturfreude hin- und herschwingende Werk ausgezeichnet. Wuchtige harmonische Quadern wiesen hier auch auf Beethoven, zumal das herausragend musizierende SWR Symphonieorchester viele Details präzis herausarbeitete. Gleich das Trompetenmotiv im ersten Satz gemahnte an Beethovens neunte Sinfonie. Typische Intervalle hoben sich aus der raunenden Gestaltlosigkeit hervor. Die letzte Energie des Themas setzte sich dann in der geballten Kraft des Schlussgedankens durch. Der ganze Komplex des vielseitigen Themas wurde dann markant wiederholt. Das naturselige zweite Thema mit seinen Triolen blieb ebenfalls stark in Erinnerung. Und die majestätische Wiederkehr des E-Dur-Themas besaß ergreifende Kraft. Geheimnisvoll setzte dann die Durchführung ein und erreichte ihren Höhepunkt in dem Trompeten-Motiv, das auch den Themenreigen der Reprise als pompöse Coda im Tremolo-Fieber abschloss. Der in mehrere Episoden gegliederte zweite Satz besaß in der Interpretation Marek Janowskis großen thematischen Reichtum und feierliche Intensität des Gefühls. Das erste Thema wirkte ausgesprochen bezwingend.
Als Huldigung an Wagner folgte dann die trostreiche Melodie der Bratschen. Die Streicher gaben die berührende Antwort mit einer freien Umformung des ersten Themas, das sich jetzt in neuer Schönheit mit der Bratschenmelodie wunderbar entfaltete. Als ländlich-derbes Vergnügen kam das Scherzo des dritten Satzes daher. Das "d" als Grundton war Mittelpunkt des Satzes - zusammen mit "a" in der fallenden Folge "d - a - d" wurde wieder das großartige Trompeten-Motiv beschworen. Auch die gutmütige Walzermelodie arbeitete Marek Janowski hervorragend heraus. Fast behäbig führte dann die Bratsche das Trio an. Das Finale erstickte nicht im Scherzo-Trubel, sondern ließ das imposante Hauptthema im Rhythmus des Trompeten-Motivs wirkungsvoll erklingen. Fast tänzerisch erschien die Melodie der Geigen, und der Choral der Hörner erreichte eine bewegende Klarheit. Den verwirrenden Kontrast dieser beiden gleichzeitig erklingenden Themen betonte Janowski mit dem SWR Symphonieorchester sehr facettenreich. Die Polka bedeutete laut Bruckners eigener Erklärung Humor und Frohsinn, während der Choral das Traurige unterstrich.
Das dritten Thema griff hier deutlich auf die Anfangsfigur des Scherzos zurück. Bruckners Sonatenform setzte deutliche Akzente. Die Durchführung besaß bei dieser konzentrierten Wiedergabe eine ungeheure Energie. Das Thema wurde mit dem ersten Thema dieses Satzes konfrontiert. Es kam so zu einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung. Das Choralthema in den Celli riss die Zuhörer unmittelbar mit. Und die breit musizierte Coda erinnerte majestätisch an das Hauptthema des ersten Satzes. Der Dur-Schluss besaß etwas triumphal Sieghaftes. Janowski zelebrierte dabei mit dem Orchester meisterhafte Dynamik. "Bravo"-Rufe, großer Jubel und tosender Applaus. Beim "Ausklang" mit Streichern des SWR Symphonieorchesters waren noch die "Visions fugitives" op. 22 von Sergej Prokofjew zu hören. Skurrile, traumhafte Linien korrespondierten hier mit burlesken und sarkastischen Nummern. Miniaturen blitzten als Tanzszenen bei dieser Fassung für Streichquartett hervor, denn eigentlich sind es Klavierstücke.