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REISE NACH PARIS - "Mitten im Orchester" mit den Stuttgarter Philharmonikern im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart

am 27.9. 2023

Wieder nahmen die Stuttgarter Philharmoniker ihr Publikum auf eine aufregende Reise "Mitten im Orchester" mit. Diesmal stand Paris im Mittelpunkt. Igor Strawinskys Suite für kleines Orchester Nr. 1 ist nicht oft zu hören. Die Stuttgarer Philharmoniker musizierten unter der inspirierenden Leitung von Rasmus Baumann mit Verve und Grandezza, wobei die Einflüsse von Rimskij-Korssakoff, Mussorgski und Debussy bei den einzelnen Sätzen Andante, Napolitana, Espagnola und Balalaika nur so hervorblitzten. Als Ordnungsfaktor trat hier mehr und mehr der Rhythmus in Erscheinung, den Rasmus Baumann immer mehr zügelte, aber diesem auch freien Lauf ließ. Die Berceuse-Form des Andante sowie die feurige Tarantella der Napolitana riss die Zuhörer mit, die alle mitten im Orchester saßen und so einen ganz neuen Klangeindruck erhielten.

Copyright: Marcel Kusch: Portrait Rasmus Baumann

Keine Wandlung seiner Satztechnik konnte Strawinsky dazu bewegen, seine Tonalität ganz aufzugeben. Das spürte man auch deutlich bei dieser konzentrierten und präzisen Wiedergabe im Gustav-Siegle-Haus. Der erregend kühne Rhythmiker und Melodiker war aber auch hier immer wieder deutlich spürbar. Dabei gelang die wichtige Synthese von Stilkopie und Personalstil. Motivbildung und Harmonik wurden bei dieser durchdachten Interpretation konsequent herausgearbeitet, wobei sich Strawinsky von seinem Paris-Aufenthalt anregen ließ.

Ebenso von Paris inspirieren ließ sich Wolfgang Amadeus Mozart bei seiner Sinfonie in D-Dur KV 297 "Pariser Sinfonie", die die Stuttgarter Philharmoniker unter der Leitung von Rasmus Baumann mit durchaus majestätischen Trompeten-Fantaren und nie nachlassender Energie musizierten. Die Sonatensatzform  war dabei deutlich herauszuhören. Und auch der Unisono-Einsatz mit dem Forte-Tutti im ersten Satz ging unter die Haut, weil man das Spiel der Instrumente hier wirklich hautnah erleben konnte. In  rasantem  Sechzehntellauf steigerte sich der Musizierstil zwischen Oktavsprügen der Violinen, Tremolo und Crescendo. Alles war in ständiger Bewegung. Und auch den geradezu philosophischen Zauber des zweiten Andante-Satzes betonte Rasmus Baumann sehr überzeugend. Die vier sanglichen Motive besaßen vor allem in den Streichern etwas Leidenschaftliches - und selbst die chromatischen Bewegungen erfolgten mit bewegender Emphase. Im dritten Satz ragte die Doppeldominante in E-Dur zwischen Coda und Fugato formal deutlich hervor.

Auch Astor Piazolla hatte viel mit Paris zu tun. Als junger Komponist suchte er hier nämlich die berühmte Kompositionslehrerin Nadia Boulanger auf, die von seinen Kompositionen allerdings nicht so sehr begeistert war. Sie riet ihm vielmehr, Tangos zu komponieren, was der anfangs widerstrebende Piazzolla dann auch tat. Sein mit vielen Instrumentations-Raffinessen spielendes Stück "Tangazo" faszinierte die Zuhörer aufgrund der rhythmisch und klanglich überaus perfekten Wiedergabe. Die Harmonie des Tango weitete Piazzolla mit Mitteln des Jazz und Einflüssen von Strawinsky und Bartok aus, was hier deutlich zu hören war. Synkopen und Klangfarbenspiele schufen betörende Reize.

Begeisterter Schlussapplaus. Rasmus Baumann ist Generalmusikdirektor der Neuen Philharmonie Westfalen und Professor der Dirigierklasse an der Stuttgarter Musikhochschule.
 

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