
"Stehe still" aus den "Wesendonck-Liedern" von Richard Wagner entstand ganz aus elektrisierenden chromatischen Spannungsfeldern. Auch die für Wagner typische deklamatorische Diktion stach hier deutlich hervor. Bei Franz Schuberts "Naturgenuss" verfestigte sich dann das ausdrucksstarke Klangbild immer mehr - und auch der thematische Reichtum wurde von der Sopranistin immer wieder in hervorragender Weise erfasst. "Feldeinsamkeit", "Nachtwandler" und "Verzagen" von Johannes Brahms überzeugten mit zahlreichen feinen dynamischen Kontrasten.
Vor allem die klangliche Differenzierung wurde von Sopranistin und Pianist oftmals sehr dezent und sensibel eingefangen. "Herbstabend", "Seliges Vergessen", "Lore im Nachen" und "Symbolum" von Hans Sommer besaßen ebenfalls deutlich romantische Anklänge, deren facettenreiche Schattierungen Marlis Petersen präzis betonte. "Seele" von Karl Weigl gefiel mit klangfarblichem Reichtum. Und noch überzeugender gestaltete Marlis Petersen dann "Die Nacht" und "Freundliche Vision" von Richard Strauss. Gedanken und Impulse verbanden sich dabei zu einer lyrisch und melodisch weit ausgesponnenen Symbiose.
Herausragend war die geradezu explosive Wiedergabe von Max Regers "Schmied Schmerz", wo vor allem die Opernsängerin Marlis Petersen in dramatischer Weise triumphierte. Neben den reizvoll gestalteten dynamischen Extremen zeigte sich auch ein geradezu expressionistischer Überschwang, der sich immer weiter und betörender in glutvoller Weise erhitzte. Hier bildeten die Sopranistin und ihr einfühlsamer Begleiter eine bemerkenswerte Einheit. Neben den revolutionären Passagen gefiel die gut gestaltete Sehnsucht nach Reinheit und Stabilität. Ausgezeichnet gelangen der in Tuttlingen geborenen Marlis Petersen und dem Pianisten Stephan Matthias Lademann zudem die Lieder von Hugo Wolf. "Gebet" und "Elfenlied" aus den Mörike-Liedern" sowie "Wanderers Nachtlied" aus "Sechs Gedichte von Scheffel, Mörike. Goethe und Kerner" zeigten Hugo Wolf auf der Höhe seiner Kunst. Die chromatische Ausdruckssteigerung sowie das Pathos des Intimen wurden genau getroffen.
Eindringlich und effektvoll wurden auch "Einsame Nixe" aus "Neun Lieder nach Gedichten von Ricarda Huch" von Hermann Reutter sowie "Elfe" aus "Vier Eichendorff Lieder" von Friedrich Gulda interpretiert. Weitere Höhepunkte waren Hermann Zumpes "Liederseelen" aus "Fünf Lieder", Carl Loewes "Irrlichter" ohne Banalitäten und Sentimentalitäten sowie Yrjö Kilpinens ausdrucksvoller "Berggeist".
"Liebst Du um Schönheit" von Gustav Mahler beeindruckte die Zuhörer schließlich aufgrund der bewegenden Diktion von Marlis Petersen, die außerdem Hanns Eislers "Die Welt verändern wir" aus "Neue Deutsche Volkslieder" mit deutlichen Bezügen zur Zweiten Wiener Schule und expressiver Gestaltungskraft sang. Das "Abendlied" von Johann Abraham Peter Schulz beschloss fast folkloristisch diesen sehr gelungenen Liederabend. Als Zugabe folgte noch ein reizvolles, fast impressionistisches französisches Chanson von Reynaldo Hahn.
Viel Applaus und "Bravo"-Rufe für die Sopranistin und ihren Begleiter, die an der Metropolitan Opera New York als "Lulu" von Alban Berg große Erfolge feierte.