Dem versierten und sensibel deklamierenden chinesischen Tenor Mingjie Lei gelang es zusammen mit dem einfühlsamen Pianisten Jan Philip Schulze, den großen dynamischen Bogen dieses Liedes in eindringlicher Weise einzufangen. Long Wang folgt hier der Melodie der Worte.
Ausgesprochen bewegend gestaltete Mingjie Lei dann die Lieder "Nachts in meinem Garten" op. 38 Nr. 1, "Schön ist es hier" op. 21 Nr. 7 sowie "A-u!" op. 38 Nr. 6 von Sergei Rachmaninov. Die sinnliche Reizwelt und die Eleganz der Fin-de-siecle-Kultur blitzten hier hervor, wobei beide Künstler bei ihrer einfühlsamen Wiedergabe nicht übertrieben. Auch die slawische Melancholie lebte hier immer wieder auf - und es kam oftmals zu einer berauschenden Klangfülle, die der Pianist Jan Philip Schulze zusammen mit Mingjie Lei entfachte. Dynamische Spannungen wuchsen ins Uferlose, wobei es dem Tenor in ausgezeichneter Weise gelang, die thematische Substanz herauszuarbeiten. Auch die lyrischen Seitenthemen kamen dabei nicht zu kurz.
Eindringliche Motive unterstrichen immer wieder den Charakter unterdrückter Leidenschaft. Interessant war außerdem die dezente und rhythmisch wunderbar ausbalancierte Wiedergabe der "Music for a while" (Arie aus der Bühnenmusik für das Drama "Oedipus") von Henry Purcell. Dabei leuchtete die modal gefärbte Harmonik hell auf. Chromatische Figurationen korrespondierten in reizvoller Weise mit weiträumiger Kadenzharmonik, wobei die Kantilenen des Tenors Mingjie Lei bei "Turn then thine Eyes" aus der Semi-Opera "The Fairy Queen" (bearbeitet für hohe Stimme solo und Klavier von Benjamin Britten) sowie dem Lied "Not all my torments" hell aufleuchtete.
Auch bei den mit starker Emotion vorgetragenen fünf Liedern op. 106 von Johannes Brahms betonte der Tenor Mingjie Lei die klangliche Differenzierung der Kantilenen und dynamischen Qualitäten. Die sensible Poesie kam bei den einzelnen Liedern "Ständchen", "Auf dem See", "Es hing der Reif" oder "Ein Wanderer" überzeugend zum Ausdruck. Der harmonischen Vielschichtigkeit dieser Lieder wurden die beiden Künstler in hervorragender Weise gerecht.
Zuletzt erklangen von Kurt Weill das Lied des Lotterieagenten aus der Oper "Der Silbersee", "Lonely House" aus der Oper "Street Scene" sowie der rhythmisch ansprechend vorgetragene Song "Buddy on the Nightshift". Staccato-Akzente dominierten im ersten, während Jazz-Anklänge im zweiten Stück hervorblitzten. Die chromatischen Finessen von "Buddy on the Nightshift" blieben stark im Gedächtnis und machten den Blick für die erweiterte Tonalität frei. Für Mingjie Lei ist Weill ein Komponist, der auch Verletzlichkeit und Humor aufgrund der Zeitgeschehnisse zum Ausdruck brachte.
Begeisterter Schlussapplaus.