Ein Schlagzeugeinsatz am Schluss hinterlässt ein großes Fragezeichen. So handelt es sich hier um einen vergnüglichen Streifzug durch die Musikgeschichte. Manche Passage wirkt so, als ob sie aus Zitaten bestehen würde. Doch man erkennt, dass es sich durchaus um eigenständige Ideen handelt. Der Rhythmus wird in einem typisch Lachenmannschen Sinn hinterfragt und auf den Kopf gestellt.
Der souveräne Pianist Jean-Frederic Neuburger interpretierte dann zusammen mit dem SWR Symphonieorchester unter Roth Helmuth Lachenmanns "Ausklang" als dynamisch differenzierte Musik für Klavier und Orchester. Zwischen Glissando- und Tremolo-Passagen treten gewaltige Bläser-Blöcke schroff hervor, während der Klavierpart die gesamte Tastatur in extremer Weise ausreizt. Zwischen diesen imaginierten Klängen blitzen Des-Dur-Töne und Nachhall-Effekte in unheimlicher Weise auf. Es ist laut Lachenmanns eigenen Worten ein "Friedhof von tonlosen Klängen". Riesige Intervalle unterstreichen diese unkontrollierbaren Klangmassen manchmal in immer kürzeren Abständen. Das alles wirkt aufregend und elektrisierend zugleich - vor allem wird es dem Hörer hier nie langweilig! Jean-Frederic Neuburger gestaltete seinen Part mit grandioser Virtuosität - und das SWR Symphonieorchester begleitete ihn mit großer Präzision. Lachenmann erweist sich bei diesem Werk so als Meister intensiver Klangflächen, die sich in gewaltiger Weise aufspalten und dann wieder zusammenfinden. Kontrapunktische Präzision und polyphone Vielseitigkeit ergänzen sich gegenseitig. Diese von Lachenmann bezeichnete "Polyphonie der Anordnungen" zielt auch hier immer wieder auf akustische Befreiung und stellt das Klavier zuletzt wieder ins Zentrum. Die Techniken des musikalischen Strukturierens korrespondieren zudem mit "streng auskomponierter Verweigerung".
Zuletzt folgte in einer stürmisch-temperamentvollen Wiedergabe die Sinfonie Nr. 7 in A-Dur op. 92 von Ludwig van Beethoven, wo der Dirigent Francois-Xavier Roth die Nähe zur Fassung mit Originalinstrumenten betonte. Der freudig beschwingte Grundton kam gleich zu Beginn nicht zu kurz. Die beiden lichten Themen der Einleitung leuchteten hervor. Das zweite Thema besteht seine eigentliche Bewährungsprobe übrigens in einer Klaviersonate. Es hat eine geheimnisvolle, gleichsam unterirdische Beziehung zu dem Trio-Thema des Scherzo. Aus seinen rhythmischen Energien hob sich das hüpfende Hauptthema des Vivace furios empor. Man spürte, wie stark die verschiedenen Seitengedanken der Sonatenform dem scharf geprägten Hauptthema entsprechen. Der Rhythmus behauptete sich bis zur mitreissenden Schlusssteigerung des überraschungsreichen Satzes sehr konsequent. In heftigen dynamischen Kontrasten spiegelte sich hier jeder Stimmungswechsel - vielsagende Schattierungen der Harmonik verrieten den Romantiker Beethoven. Dieser sprach dann bei dieser gelungenen Interpretation auch in der berühmten zweiten Allegretto-Elegie. Herb, fast wie ein Trauermarsch, hob in den tiefen Streichern das Thema an und weckte in Bratschen und Celli bald eine klagende Gegenmelodie zu ergreifend gesteigertem Zwiegesang.
Mit wunderbar milder Innigkeit suchte dann eine Klarinettenweise das harmonische Geschehen zu besänftigen, doch im unheimlichen Bass-Rhythmus behauptete sich der "Trauermarsch" umso intensiver. Er kehrte leidenschaftlich drohend in Variationen wieder. Der jähe Stimmungsumschung des dritten Presto-Satzes leitete wieder in die Bahnen des ersten Satzes. In den Tönen des Dreiklangs trippelte das Hauptthema daher, das stets zu witzigen Überraschungen geneigt war. Im Trio-Teil erschien fromme Feierlichkeit eines Themas, das in den Bläsern von den Klarinetten klangschön angeführt wurde. Hier handelt es sich wohl um ein altes österreichisches Wallfahrtslied. Es steigerte sich bei Roth aus träumerischer Ergebung zu machtvollem Glanz. Der Presto-Wirbel riss den Hörer unmittelbar mit. In dionysischem Schwung entlud sich das Finale Allegro con brio, das bei diesem Konzert den besten Eindruck hinterließ. Der ekstatische Taumel ließ hier bereits Beethovens "Neunte" erahnen. Das Kopfthema kreiste wie entfesselt um sich selbst, die eigensinnige Akzentuierung stach deutlich hervor. Ein kapriziös-tänzerisches, fast böhmisch anmutendes Motiv eröffnete den vielgestaltigen Komplex des Seitensatzes. Nach den grandiosen Finessen der Durchführung brachte der Reprisenteil zuletzt mit dem Glanz von Hörnern und Trompeten ein neues Thema, ehe die überschäumende Coda im Sinne von Richard Wagner in eine gewaltige "Apotheose des Tanzes" mündete.
Jubel, "Bravo"-Rufe.












