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UNHEIMLICHE VERWANDLUNG -- Premiere "Hamlet" von William Shakespeare im Schauspielhaus STUTTGART

am 6. Dezember 2025

"Was faul ist und begraben, kommt ans Licht". Diese Erkenntnis Hamlets prägt auch die düster-packende Inszenierung von Burkhard C. Kosminski, der hier verschiedene Aspekte auf den Punkt bringt. Es ist allerdings etwas faul im Staate Dänemark. Als der alte König gestorben ist, lässt er sein Land im wachsenden Konflikt mit dem norwegischen Nachbarn zurück. Die Witwe Gertrud hat den Schwager Claudius geheiratet - und inmitten dieser chaotischen Ereignisse steht ihr Sohn Hamlet.

 

Copyright: Toni Suter

Die Nachricht vom Tod seines Vaters reisst Hamlet aus all seinen Studien- und Lebensträumen, was Franz Pätzold auch überzeugend verdeutlicht. So nimmt die Katastrophe im schroffen Bühnenbild von Florian Etti ihren Lauf. Er kehrt zurück an den heimischen Hof von Helsingör. Und er sucht den Geist seines verstorbenen Vaters auf, um die wahren Umstände seines Todes zu erfahren. Von seinem Bruder und Thronfolger Claudius, Hamlets Stiefvater, hinterlistig ermordet, fordert der Geist seinen Sohn zur Rache auf. Auch seine Liebe zu Ophelia endet tragisch, sie ertrinkt durch Selbstmord. Innerlich zerrissen täuscht Hamlet glaubwürdig Wahnsinn vor. 

Kosminski legt den Tiefgang von Shakespeares Stück in seiner zuweilen heftig aufbegehrenden Inszenierung durchaus offen. Die berühmten Monologe wie "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage" werden ins Zentrum gerückt und enthüllen gleichsam ein ungeheures Seelendrama. Tiefe Melancholie eines Psychopathen und der schwere Gewissenskonflikt des tapferen Rächers stechen deutlich hervor. Ein sehr starkes Charakterporträt liefert bei dieser Aufführung auch Felix Strobel als König Claudius, der die bedrückenden Schattenseiten dieser Rolle präzis herausarbeitet. Pauline Großmann bietet als Ophelia ein weiteres hinreissendes Porträt des Hin- und Hergerissenseins zwischen Liebe und Verzweiflung. 

Die merkwürdige "Verwandlung Hamlets" vollzieht sich hier schleichend, geheimnisvoll und grell zugleich. Die tragische Priamus-Hekuba-Szene wird von dem ersten Schauspieler Rainer Galke in pathetischer Weise rezitiert. Galke mimt zudem glaubwürdig den Geist des letzten Königs, Hamlets Vater, Totengrüber 2, Marcellus und Osric. Anke Schubert ist als Polonius zwischen Wutausbrüchen und Argwohn immer höchst besorgt um die Tochter Ophelia, der Hamlet mit den furchtbaren Ausbrüchen seines Pessimismus zusetzt: "Welch edler Geist ward hier zerstört". Polonius wird schließlich von Hamlet erstochen. Das berühmte Schauspiel im Schauspiel mit den Anweisungen Hamlets zur Schauspielkunst und dem beziehungsreichen Titel "Die Mausefalle" besitzt bei Burkhard C. Kosminski zwar keine so unmittelbare Gewalt wie bei der legendären Inszenierung von Gustaf Gründgens im Deutschen Schauspielhaus Hamburg aus dem Jahre 1963, doch es gelingt Felix Strobel als undurchsichtigem König Claudius, die elektrisierenden Momente dieser Szene zu beschwören. 

Weil Hamlet alles daransetzt, die Schuld seines Stiefvaters zu beweisen, kommt es schließlich zur Katastrophe. Kosminski bannt diese Situation in eindringliche Video-Sequenzen, die sich immer mehr verdichten (Video: Sebastian Pircher). Wie ein riesiges Spinnennetz legt sich das Gift der Intrige hier über die Handlung, die auch clowneske Passagen besitzt. Hamlets verhängnisvolles Duell mit dem von Karl Leven Schroeder hitzig verkörperten Laertes (der als Sohn von Polonius Rache üben will) führt das Ende in atemlosem Tempo herbei. Es gibt keine Zeit mehr zum Innehalten, das wird in der Inszenierung packend betont. Nicht nur Hamlet und Laertes sterben, sondern auch die von Katharina Hauter bewegend gespielte Königin Gertrud, die als Hamlets Mutter zuletzt alle Karten offenlegen muss  und an einem Gifttrank stirbt. Sie wird aus ihrem Albtraum nicht mehr erwachen. König Claudius wird zuvor von Hamlet ebenfalls getötet. So besitzt das infernalische "Finale"  eine doppelbödige Dämonie: "Der Rest ist Schweigen". Und der junge Prinz Fortinbras von Norwegen tritt das Erbe des Reiches an.  

Kosminski macht deutlich, dass man in "Hamlet" auch überall den Grundtypus der Komödie antrifft, die sich aber schnell zur absoluten Tragödie verändert. Dazu gehört ebenfalls die Szene mit Klaus Rodewald als gespenstischem Totengräber 1, der mit seiner Schaufel wie ein Nachtwächter an die Pforten des Theaters klopft. Sven Prietz als Guildenstern und Tim Bülow als Rosencrantz, die Hamlet bedingungslos unterstützen, können das furchtbare Ende nicht aufhalten. Er gibt ihnen einen Brief mit, der Hamlets Tod den Empfängern in England zur Pflicht mahnt.  Die Kostüme von Ute Lindenberg betonen die Zeitlosigkeit des Werkes. Auch die Musik von Hans Platzgumer überträgt das Geschehen drastisch in die Gegenwart. Felix Jordan betont als Hamlets Freund Horatio genauso fesselnd die Unerbittlichkeit des Geschehens. Dessen unheimliche Tragik hätte bei der einen oder anderen Stelle zuweilen auch eine noch größere Tiefe und Abgründigkeit gewinnen können, wie das eben bei Gründgens der Fall war. Und doch gelingt es Kosminski  immer wieder, in die unbekannten Seelen dieser Figuren vorzudringen. Das zeigt sich insbesondere bei den bewegenden Szenen zwischen Ophelia und Hamlet, die den Zuschauer mitleiden lassen. Franz Pätzold macht als Hamlet zuletzt allen klar, dass er seine Narrenrolle nicht mehr spielen will! Die Probleme des Stückes, den tragischen Konflikt zu lösen, unterstreicht Burkhard C. Kosminski ebenso. Shakespeare betreibt hier beträchtlichen szenischen Aufwand, um eine Lösung herbeizuführen. Das entsetzliche Scheitern dieser Konfliktlösung geht deswegen auch bei dieser Inszenierung total unter die Haut. 

Jubel und "Bravo"-Rufe! Gleich im Anschluss gingen die Sparten Oper, Schauspiel und Ballett mit ihren Mitarbeitern auf die Bühne, um gegen die angekündigten Sparmaßnahmen des Stuttgarter Gemeinderats zu protestieren. 
 

   

 

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