Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
LEIDENSCHAFTLICHER ÜBERSCHWANG - "Songs of Freedom" mit Thomas Hampson und Wolfram Rieger im Mozartsaal der Stuttgarter LiederhalleLEIDENSCHAFTLICHER ÜBERSCHWANG - "Songs of Freedom" mit Thomas Hampson und...LEIDENSCHAFTLICHER...

LEIDENSCHAFTLICHER ÜBERSCHWANG - "Songs of Freedom" mit Thomas Hampson und Wolfram Rieger im Mozartsaal der Stuttgarter Liederhalle

am 18.7.2023

Internationale Hugo-Wolf-Akademie: "Songs of Freedom" mit Thomas Hampson und Wolfram Rieger. --- Wie stark Gustav Mahlers Lieder in ihrer magischen Intensität bereits die Welt Arnold Schönbergs heraufbeschwören, machte der renommierte amerikanische Bariton Thomas Hampson zusammen mit dem Pianisten Wolfram Rieger im Mozartsaal deutlich. Auch Tonfall, Rhythmus und Wortwahl des alten Volkslieds blitzten bei "Lied des Verfolgten im Turm" und "Revelge" aus "Des Knaben Wunderhorn" immer wieder in geheimnisvoller Weise auf.

 

Copyright: Portrait Thomas Hampson

Von Alexander Zemlinsky war dann "Mit Trommeln und Pfeifen" op. 8/3 zu hören, dessen rhythmische Anklänge an Mahler bei der Klaviergestaltung der Trommel in besonderer Weise auffielen. Auch hier beeindruckte Thomas Hampson mit voluminöser gesanglicher Linienführung. Sehr eindrucksvoll interpretierte Hampson außerdem "O, nun heb du an, dort in deinem Moor" op. 14/2 von Paul Hindemith, wo Anklänge an den Neoklassizismus nicht zu überhören waren. Die Nähe zu bitonalen Akkordverbindungen blieb immer spürbar - und Thomas Hampson gestaltete seinen Part zusammen mit Wolfram Rieger mit expressiver gesanglicher Direktheit und emotionaler Kraft. Die motivischen Bausteine verdichteten sich hier zu einem konzentrierten empfindungsmäßigen Gehalt. Sehr gut gelangen dem Duo zudem  die Zigeunermelodien op. 55 von Antonin Dvorak, wo die poetischen Stimmungsbilder bei einzelnen Liedern wie "Mein Lied ertönt, ein Liebespsalm", "Ei, wie mein Triangel wunderherrlich läutet", "Rings ist der Wald so stumm und still" oder "Als die alte Mutter" hell und eindrucksvoll aufleuchteten. Anklänge an Brahms und Schubert waren dabei nicht zu überhören.

Im zweiten Teil des Programms wurde dann hochinteressante amerikanische Musik präsentiert, die Thomas Hampson spürbar ans Herz gewachsen ist. Von Jennifer Higdon waren "Civil Words" aus dem Jahre 2015 zu hören, die in den USA zu den meistgespielten lebenden Komponistinnen zählt. Die New Yorker Carnegie Hall beauftragte sie mit der Komposition eines Liedzyklus' für Thomas Hampson. Es geht hier um  eindrucksvoll vertonte Texte aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Melodisch und tonal eingängig beschreibt dieser Zyklus das Schicksal von Menschen wie der Mutter, deren Sohn zur Armee eingezogen wird, den unbekannten Soldaten, dessen Tod nicht einmal eine Meldung wert ist oder die Rückkehr eines verlorenen Sohnes. Sie hat auch dem legendären Präsidenten  Abraham Lincoln bei diesem zukunftsweisenden Werk ein bewegendes musikalisches Denkmal gesetzt, das Thomas Hampson zusammen mit Wolfram Rieger in überwältigender Weise beschwor.  

Im vierten Teil standen die beiden Dichter Walt Whitman und Langston Hughes im Mittelpunkt. Whitman gilt als der Urvater der amerikanischen Lyrik. Seine Erfahrungen aus dem Sezessionskrieg hat Eingang in "Ethiopia Saluting Colors" gefunden, wo er eine ehemalige Sklavin schildert, die mit einem Turban in den äthiopischen Nationalfarben am Straßenrand steht und die amerikanische Flagge grüßt. Vertont  wurde dieses Gedicht von Henry T. Burleigh, der von Antonin Dvorak beeinflusst wurde. Thomas Hampson interpretierte dieses Werk im Mozartsaal höchst sensibel und ausdrucksstark. Mit leidenschaftlichen dynamischen Steigerungen wartete das Lied "The Negro Speaks of Rivers" (1941) der schwarzen Komponistin Margaret Bonds auf, deren melodischen Überschwang Thomas Hampson zusammen mit Wolfram Rieger immer genau traf. Dabei leuchteten die Ideale der Freiheit wunderbar auf. "Lonely People" (1951) von Jean Berger besaß gewisse Ähnlichkeiten mit den Werken Leonard Bernsteins. Und bei "So What You Said" aus "Songfest" von Leonard Bernstein (1977) betonte das Duo Hampson/Rieger die geheimnisvollen Zusammenklänge von Klassik, Jazz, Folk und Musical.

Als Zugabe erklangen unter anderem noch das berührende Lied "Sure on This Shining Night" von Samuel Barber und der berühmte Song "Beautiful Dream". Begeisterungsstürme, Ovationen für dieses Liedduo von Weltgeltung. Hohe lyrische Qualität mit subtilen polytonalen Einschüben besaß zudem die Wiedergabe von "Tom Sails Away" und "In Flanders Fields" aus "Three Songs of War" von Charles Ives.
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 19 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

TRISTE STIMMUNG IM HOTEL -- "Zur schönen Aussicht" von Ödön von Horvath im Schauspielhaus STUTTGART

Es ist die Zeit der Inflation und der Irrnisse und Wirrnisse in der Weimarer Republik. In der Regie von Christina Tscharyiski, der Bühne von Sarah Sassen und den Kostümen von Miriam Draxl steht…

Von: ALEXANDER WALTHER

GROSSE DYNAMISCHE SPANNWEITE -- "Canto General" von Mikis Theodorakis im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Der griechische Komponist Mikis Theodorakis wäre am 29. Juli dieses Jahres 100 Jahre alt geworden. Seine Komposition "Canto General" wurde ein Jahr nach dem Ende der Athener Militärjunta im August…

Von: ALEXANDER WALTHER

TIEFER HINTERSINN -- Belcea Quartet im Ordensaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Die rumänische Violinistin Corina Belcea, der koreanisch-australische zweite Geiger Suyeon Kang, der polnische Bratschist Krzysztof Chorzelski und der französische Cellist Antoine Lederlin bilden das…

Von: ALEXANDER WALTHER

LEIDENSCHAFTLICHE THEMEN -- Richard-Strauss-Fest bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen im Forum am Schlosspark

Dies war eine besondere Hommage an das Münchner Original Richard Strauss, der als Musiker Weltruhm genoss und beim Kartenspiel auch hemdsärmelig sein konnte. Zunächst musizierte die Deutsche Radio…

Von: ALEXANDER WALTHER

Zwischen den Welten -- "Rusalka" von Antonín Dvořák in der Deutschen Oper am Rhein

Kein Wunder, dass Rusalka sich fort wünscht. In Vasily Barkhatovs Inszenierung der Oper "Rusalka" von Antonín Dvořák für die Deutsche Oper am Rhein lebt Rusalka in einem Kloster, das mehr dem…

Von: Dagmar Kurtz

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑