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Stadttheater Gießen, Tanz: Five "Stages of Grief" - Tanz / Physical Theatre von Constantin Hochkeppel & Ensemble

Premiere am 8.4.2023 | 19:30 Uhr | Großes Haus

Welchen Stellenwert hat sichtbares Trauern in unserer Gesellschaft? Was entscheidet darüber, wer oder was überhaupt betrauernswert ist und mit welchen Maßstäben? Und wie vermag uns Trauer mit der Welt und anderen Menschen neu verbinden? Constantin Hochkeppel und das Tanzensemble laden mit „Five Stages of Grief“ das Publikum zu einer emotional aufladenden Reise ein, mit dem Ziel, den gemeinschaftlichen Wert und die Transformationskraft von Trauer zu erfahren.

Copyright: Stadttheater Gießen

Sich für einen ganzen Tanzabend mit Trauer zu beschäftigen, ist für Constantin Hochkeppel, den Künstlerischen Leiter der Tanzsparte sowie von „Five Stages of Grief“, keine deprimierende Angelegenheit. Im Gegenteil: Das Thema bietet in seiner Komplexität die Möglichkeit für eine vielschichtige Auseinandersetzung mithilfe von Körper, Sprache, Ausstattung und Musik, die einen schillernden Kern unserer Menschlichkeit berührt. Denn überhaupt trauern zu können und zu dürfen, ist eine (gesellschaftliche) Errungenschaft, die tiefe Verbindungen mit unserer Welt erlaubt und den Wert des Lebens und der Lebendigkeit deutlich macht. Dies ist auch der Anspruch der Produktion, die das Publikum einlädt, sich im ganzen Großen Haus des Stadttheaters Gießen auf eine abwechslungsreiche Reise zu begeben.

Ausgangspunkt für „Five Stages of Grief“ ist das Fünf-Phasen-Modell der Trauer, das die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross in ihrer Sterbeforschung Ende der 1960er-Jahre entwickelte: Leugnung, Wut, Verhandlung, Depression und schließlich Akzeptanz sind demnach die Stufen der psychischen Verarbeitung, die Menschen mit existentiellen Verlusten durchlaufen. Auch wenn dieses schematische Modell sicher nicht jegliche emotionalen Komplexitäten von Trauerprozessen erfasst, so nimmt es doch die Scham und Angst, widersprüchliche Emotionen zu spüren, die den einzelnen Menschen als auch Gefüge von Gemeinschaften erschüttern.

Die fünf Phasen (engl. stages) der Trauer wörtlich nehmend, findet der Tanzabend nicht nur auf der Bühne im Großen Haus statt, sondern bespielt auch den ganzen Bereich des Vorderhauses und Foyers, und selbst den Eingangsbereich vor dem Theater. Kleine Performances des Tanzensembles, des Opernchores sowie Mitgliedern des Orchesters finden im fließenden Übergang zum Stückbeginn um 19:30 Uhr im ganzen Haus verteilt statt und können vom Publikum im selbstbestimmten Rhythmus entdeckt werden. Die unterschiedlichen Orte, an denen sich sozusagen flüchtige Bühnen etablieren, beschäftigen sich mit verschiedenen Zuständen und Aspekten von Trauer. Ein zentraler Anlaufpunkt ist dabei ein begehbarer Container im Foyer, den Ausstatter Philipp Basener als hyperrealistische Kulisse eines halb geräumten, privaten Zimmers eingerichtet hat. In ihm kann das Publikum u.a. Eins-zu-eins-Performances von Tanzensemblemitgliedern erleben. Parallel zu diesem ersten Teil des Abends ist die Möglichkeit gegeben, Ausschnitte davon in Form eines Films im Publikumssaal zu erleben.

In einem fließenden Übergang wird schließlich der zweite Teil des Abends auf der großen Bühne eröffnet. Im Zusammenspiel von fünf Kompositionen für Chor und Orchester der zeitgenössischen Komponist:innen Anna Thorvaldsdottir, Arvo Pärt, Anna Clyne und Ēriks Ešenvalds, wird die Welle der Trauer fulminant hörbar – von den sphärischen Streichern Thorvaldsdottirs über die mystische Sakralität von Arvo Pärts a capella-Chören bis hin zur aufberstenden Dynamik von Anna Clynes „Sound and Fury“ (2019). Riesige schwarze Kristalle, die aus dem Bühnenboden und der Decke wachsen, repräsentieren in diesem Teil des Abends die ausladende emotionale Innenwelt der Trauer, die schließlich mit Ešenvalds „In Paradisum“ nach Auflösung und Erlösung sucht, und sie in der Kraft der gemeinschaftlich geteilten Erfahrung zu finden vermag.

Werke:
Anna Thorvaldsdottir: Hrím (2010) | Arvo Pärt: The deer’s cry (2007) | Anna Clyne: Sound and Fury (2019) | Arvo Pärt: Nunc dimittis (2001) | Ēriks Ešenvalds: In Paradisum (2012)

Von und mit: Emma Jane Howley, Rose Marie Lindstrøm, Maja Mirek, Pin-Chen Hsu, Gustavo de Oliveira Leite, Borys Jaźnicki, Jeff Pham

Regie: Constantin Hochkeppel    
Musikalische Leitung Andreas Schüller / Vladimir Yaskorski
Chorleitung Jan Hoffmann
Bühne & Kostüme: Philipp Basener
Dramaturgie: Caroline Rohmer
Choreographische Assistenz und Rehearsal Director: Niv Melamed

Mit dem Philharmonischen Orchester & dem Opernchor    
Musik von Anna Thorvaldsdottir, Arvo Pärt, Anna Clyne und Ēriks Ešenvalds    
Mit deutschen & englischen Übertiteln

Weitere Vorstellungen:
10.4., 22.4., 6.5., 9.6., 23.6.2023 | 19.30 Uhr
10.4., 2.7.2023 | 18.00 Uhr
30.4.2023 | 16.00 Uhr

Absacker (Nachgespräch) im Anschluss an die Vorstellung:
22.4., 30.4., 6.5.2023     
Großes Haus, Foyer

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