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Gebrochene Herzen -- "Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading" nach Oscar Wilde von André Kaczmarczyk mit Musik von Matts Johan Leenders im Schauspielhaus Düsseldorf

Premiere am 8. März 2025

Oscar Wilde war zu seinen Lebzeiten ein gerühmter Dramatiker und Dichter, bekannt auch wegen seiner vielen gewitzten Bonmots, die noch heute vielfach für Werbeanzeigen benutzt werden. Darüber hinaus war er ein Dandy par excellence, was aber auch zu vielfacher Spötterei Anlass gab. Dennoch war er fest in der britischen Gesellschaft etabliert. Bis seine gelebte Homosexualität, damals eine Straftat, ihn 1895 vor Gericht und dann verurteilt zu Zwangsarbeit für zwei Jahre in ein Zuchthaus brachte und ihn tief stürzen ließ. Nicht allein die öffentlichen Demütigungen, sondern auch der Verlust seines Geliebten Lord Alfred Douglas, der sich von ihm lossagte, setzten ihm zu.

Copyright: Thomas Rabsch

Fasziniert von der schillernden Persönlichkeit hat André Kaczmarczyk aus Zitaten aus Wildes Dramen, Märchen, Erzählungen, Romanen und Gedichten sowie aus Dokumenten, Briefen, Gerichtsakten und Erinnerungen an Oscar Wilde ein beeindruckendes Stück konzipiert, das uns den Menschen und seine letzten Lebensjahre näher bringt. Allein die Rahmenhandlung - die allabendliche Erzählung seiner Märchen für den Gefängniswärter Thomas Martin - ist frei erfunden. Mit der eigens dafür kreierten Musik von Matts Johan Leenders ist jetzt dieses "Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading" betitelte, genauso wie sein Titelheld, schillernde Stück unter Kaczmarczyks Regie im Schauspielhaus Düsseldorf zu sehen.

Ein Handlungsstrang führt uns den tristen, grausamen Gefängnisalltag vor. Harte Bedingungen – Sprechverbot, Isolationshaft bei den kleinsten Verfehlungen gegen die Haftbedingungen - lassen Oscar Wilde körperlich und seelisch fast zerbrechen. Allein die kleinen, verbotenen Unterstützungen des Gefängniswärters Thomas Martin mit Brühe und Ingwerkeksen, aber noch viel wichtiger sein Zuhören beim Erzählen, machen das Haftleben erträglicher. In Wildes Fantasie werden die Gestalten seiner Märchen lebendig, aber auch Analogien zu seinem Leben und Charakter hergestellt. So werden wir beim "Der Geburtstag der Infantin" mit dem Spiegelmotiv konfrontiert, in dem sich der Zwerg plötzlich seiner Hässlichkeit und seiner Illusionen bewusst wird und an gebrochenem Herzen stirbt. "Die bedeutende Rakete" neigt zur Selbstüberschätzung und Eitelkeit und landet schließlich unbeachtet auf dem Müll, ein Schicksal, das auch die rote Rose in "Die Nachtigall und die Rose" erleidet. Das Opfer der Nachtigall, um zum Liebesglück eines Studenten beizutragen, war umsonst. Aus Mitgefühl und Liebe opfert sich ein Schwälberich in "Der Glückliche Prinz", wo  das Herz der Statue des glücklichen Prinzen neben der toten Schwalbe auf dem Kehricht landet. Liebe, Treue und Mitgefühl haben keine Chance gegen die menschliche Ignoranz.

Dramaturgisch sind beide Handlungsstränge voneinander abgesetzt: der Gefängnisalltag ist schwarz-grau mit dunklem, kargen Bühnenbild, im Gegensatz dazu steht die Welt der Fantasie mit farbenfrohen, eindrucksvollen Kostümen, hier wird auch gesungen und getanzt.

Ein dritter Handlungsstrang ist der Rückblick auf das Gerichtsverfahren mit Wildes eloquenter, rhetorisch versierter Verteidigung. Dazwischen immer wieder Szenen mit Gefängnisbesuchern wie Wildes Frau oder seinem Freund Robert Ross, die die Folgen seiner Haft verdeutlichen.

In "Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading" hat André Kaczmarczyk Leben und Werk des Oscar Wilde äußerst kunstvoll miteinander verwoben. Alles ist wunderbar auf einander abgestimmt: Bühnenbild, Kostüme und Licht, dazu die Musik von Matts Johan Leenders, romantisch mit der Besonderheit des Einsatzes der japanischen Miyadaiko-Trommel. So ist etwas ganz Besonderes mit viel Tiefgang entstanden, changierend zwischen Schauspiel und Musical. Gleichzeitig kann es als ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit und ein freies Leben gesehen werden, das uns reicher macht und dessen Erhalt uns alle betrifft.

Auch die Besetzung lässt keine Wünsche offen, alle spielen mit richtigem Charakterausdruck, Timing und Spielfreude. Yascha Finn Nolting trägt eindrucksvoll die Hauptrolle als Oscar Wilde, Thomas Wittmann überzeugt als mitfühlender, ruhiger Gefängniswärter Thomas Martin, ebenso wie Sebastian Tessenow als gewiefter Ankläger Carson. Von den "Märchenfiguren" seien hervorgehoben: Michael Fünfschilling als u.a. Zwerg und Nachtigall, Roman Wieland besonders eindrucksvoll als Schwälberich und Georgette Dee als Wildes Mutter, rote Rose und Rakete.

Die Spielfreude des Ensembles überträgt sich auch auf die Zuschauer und so konnte dieses eindrucksvolle Schauspiel auch nur enthusiastischen Beifall erlangen!

Wer dann noch Oscar Wildes unvergleichlichen Wortwitz im Original kennen lernen möchte, sollte unbedingt einmal seine Märchen nachlesen.

Besetzung
Oscar Wilde: Yascha Finn Nolting
Thomas Martin, Gefängniswärter: Thomas Wittmann
Constance, Wildes Ehefrau / Salome / Nymphe / Motte: Anya Fischer
Ada Leverson, eine Vertraute Wildes / Nymphe / Eule: Sarah Steinbach
Die Infantin / Tochter des Professors / Nymphe / Spinne: Luise Zieger
Robert Ross, Wildes engster Freund: Raphael Gehrmann
Student / O.C. Maurice, Arzt: Elias Nagel
Carson, Anwalt der Gegenseite: Sebastian Tessenow
lsaacson, der Gefängnisdirektor: Thiemo Schwarz
Nachtigall / Walter Grainger / Zwerg: Michael Fünfschilling
James Taylor / Don Pedro / Fuchs / Schwälberich: Roman Wieland
Prince, Häftling A 2.1.1. / Fledermaus: Markus Danzeisen
Lord Alfred Douglas / Narziss: Eray Gülay
sowie
Lady Wilde, Wildes Mutter / Rote Rose / Rakete: Georgette Dee
Statisterie
Gefangene: Ivaylo Dimitrov, Rolf Giesen, Nicole Marpmann, Carl Wrobel / Daniel Deason
Cyril und Vyvian, die Söhne Oscar Wildes / Häftlinge: Luke Dopheide / Philipp Jagiela, Rafael Wohlleber / Anton Jäger

Band
Flügel: Matts Johan Leenders / Hajo Wiesemann
Violine 1: Sophie Moser / Lisa Maria Schumann-Heinen
Violine 2: Zuzana Leharová / Laura Knapp
Viola: Maria del Mar Vargas Amezcua / Maurice Maurer
Cello: Ella Rohwer / Jola Shkodrani
Miyadaiko: Max Hilpert / Carl Zinsius

Regie: André Kaczmarczyk
Musik: Matts Johan Leenders
Bühne: Ansgar Prüwer
Kostüm: Martina Lebert
Licht: Konstantin Sonneson
Dramaturgie: Janine Ortiz

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