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MIT TEMPO UND FEUER -- Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle STUTTGART

am 27.4.2025

Bereits zum zweiten Mal hat das Staatsorchester Stuttgart nun schon sein Patenorchester, das Landesjugendorchester Baden-Württemberg, eingeladen. Unter der energischen Leitung des vielversprechenden britischen Dirigenten Kerem Hasan musizierte das Landesjugendorchester zunächst Ludwig van Beethovens Ouvertüre Nr. 3 zur Oper "Leonore" op. 72 aus dem Jahre 1806.

 

Der seelische Gehalt des Leonore-Fidelio-Dramas wurde hier jedenfalls voll erfasst. Das Leiden des unschuldig eingekerkerten Florestan und seine Befreiung durch die Gattin Leonore erfolgte dabei mit überaus stürmischer Emphase. Nach dem innigen Thema der Florestan-Arie setzte im Hauptteil mit vollem leidenschaftlichen Aufschwung der zuversichtliche Hauptgedanke ein. Kämpferische Impulse setzten sich energisch durch, begleitet vom vorwärtsdrängenden Hauptthema. Sphärenhaft erklang dann von ferne das Trompetensignal. Und das zweite Trompetensignal signalisierte überaus stürmisch die endgültige Befreiung. Das Hauptthema erklang wieder in zartem Aufschwung der Flöte  in stetigem Vorwärtsdrängen bis zur gewaltigen Stretta.

Der versierte russische Pianist Alexander Melnikov war dann anschließend der Solist bei der Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43 von Sergej Rachmaninow. Der reizvolle Charakter des Variationszyklus wurde hier in bewegender Weise erfasst. Thema ist dabei die Nr. 24 der berühmten "Capricci" für Violine solo op. 1  von Nicolo Paganini. Alexander Melnikov brannte zusammen mit dem dynamisch differenziert musizierenden Staatsorchester Stuttgart unter Kerem Hasan ein wahres Feuerwerk der Virtuosität ab. Neben dem Paganini-Thema beeindruckte vor allem die facettenreiche Gestaltung des mittelalterlichen Hymnus' "Dies irae", die mit kontrapunktischen Finessen aufwartete. Einflüsse von Wagner und Liszt waren dann bei den "Enigma"-Variationen von Edward Elgar herauszuhören.

Thematischer Reichtum und kontrapunktische Finessen blitzten nicht nur bei der humorvollen Charakterisierung des Musikkritikers August Jaeger bei der Nummer "Nimrod" hervor. Einzelne Ziffern wie "C.A.E" meinen zum Beispiel Caroline Alice Elgar, die Frau des Komponisten. An anderer Stelle blitzt die Chriffre "R.B.T." als satirische Beschreibung eines alten Mannes in verschiedenen Amateurtheatern auf - gemeint ist dabei Richard Baxter Townshends Darstellung dieses Protagonisten. Mit "Ysobel" spielt Elgar auf Isabel Fitton an, die er auf der Viola unterrichtete. Die Phrase des ersten Taktes wird hier laut Elgar während der gesamten Variation verwendet. Und "B.N.G." ist Basil George Nevinson gewidmet, der als Amateurcellist Furore machte. Die Trommeln suggerieren dabei das ferne Pochen der Schiffsmotoren. Das Staatsorchester Stuttgart ließ unter der einfühlsamen Leitung von Kerem Hasan den großen Melodienreichtum des Werkes in erfrischender Weise aufblühen, wobei auch der Klangfarbenreichtum nicht zu kurz kam. Und in "E.D.U." porträtierte sich Elgar selber, wobei die Einflüsse von Richard Strauss und Claude Debussy hervorblitzten. Dynamische Kontraste und leidenschaftliche Aufschwünge wechselten sich bei dieser Interpretation in beglückender Weise ab.

Zum Abschluss begeisterte noch das Landesjugendorchester Baden-Württemberg unter der einfühlsamen Leitung von Johannes Klumpp mit einer elektrisierenden Interpretation von Igor Strawinskys "Der Feuervogel". Die Einflüsse Debussys traten deutlich hervor. Buntschillernde Farbspiele und impressionistische Klänge wechselten sich ab. Und die thematische Substanz wurde in ihrer kühlen Logik und klugen Kontrolle sehr gut erfasst. Das Intervall der übermäßigen Quart und verminderten Quint trat bei dieser Wiedergabe facettenreich hervor. In dunklen, wie gelähmt schleichenden Klängen malte die Einleitung den verhexten Garten des Zauberers. Da blitzte es jäh auf: Wie eine Feuerflamme flatterte der Wundervogel heran, sprühte und funkelte bei jeder seiner Bewegungen mit glitzernden, bunten Orchesterklängen.  Mit inständigem Flehen bat der Vogel dann den Prinzen, ihn in Freiheit zu lassen. Das war ein kaum weniger beredtes Klangbild, zu dem das folgende zierlich-anmutige Spiel der Prinzessinnen einen eher weichen Gegensatz bildete. Um eine zart-schwebende, innige russische Volksmelodie kreiste ihr Reigen, der schroff abriss, als der Zauberer Kaschtschei mit seinem Gefolge hereinstürmte und den Höllentanz begann. Wild entfesselt tobte die Schar, aufgepeitscht vom unwiderstehlich vorstürmenden Rhythmus, der hier wirkungsvoll Melodiefetzen zerhackte, sie gleichsam niederwalzte und sich immer wieder mit neuen Energien bis zur grandiosen Schlusssteigerung auflud. Hinsichtlich der Bläser-Intonation verbesserte sich das Landesjugendorchester unter Johannes Klumpp immer mehr. Die friedvoll-ruhige Melodie des Wiegenliedes erinnerte an Rimskij-Korssakoff. Fast liturgisch erschien zuletzt im Finale eine weitere russische Melodie.

Immer heller strahlten die Klänge auf und lösten zuletzt Jubel beim Publikum im Beethovensaal aus.

 

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