Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
DIE NATUR DES MENSCHEN - Lettischer Rundfunkchor in der Domkirche St. Eberhard StuttgartDIE NATUR DES MENSCHEN - Lettischer Rundfunkchor in der Domkirche St....DIE NATUR DES MENSCHEN -...

DIE NATUR DES MENSCHEN - Lettischer Rundfunkchor in der Domkirche St. Eberhard Stuttgart

am 25. Juni 2023 in der Domkirche St. Eberhard STUTTGART

"Stimme pur" - Internationale Bachakademie, Musikfest Stuttgart: Lettischer Rundfunkchor. --- Die Natur des Menschen im Rahmen von Verantwortung, Mut und Freiheit stand im Mittelpunkt dieses Konzerts mit dem Lettischen Rundfunkchor unter der inspirierenden Leitung von Sigvards Klava. Er gilt als einer der besten Chöre der Welt. Palestrina und der Gregorianische Choral übten einen großen Einfluss auf den norwegischen Komponisten Knut Nystedt aus, dessen Komposition "Immortal Bach" op. 153b für gemischten Chor a cappella vom Lettischen Rundfunkchor eindringlich interpretiert wurde.

 

Copyright: Holger Schneider

Der Cantus-firmus-Charakter der Bachschen Kompositionen blitzte immer wieder auf und es machten sich außerdem facettenreiche Clusterbildungen bemerkbar. In einer kontrapunktisch reichen Bearbeitung für Saxofonquartett von Aigars Raumanis überzeugte der Canon a 4 Voci perpetuus BWV 1073 von Johann Sebastian Bach. Dabei fielen auch die nuancenreichen dynamischen  Kontraste auf. Das Riga Saxophone Quartet mit Aigars Raumanis, Oskars Petrausks, Ainars Sablovskis und Rudolfs Rubenis gestaltete die Kantilenen ausdrucksstark.  

Von Sven-David Sandström und Henry Purcell interpretierte der Lettische Rundfunkchor dann wunderbar ebenmäßig und klangschön die Weise "Hear my prayer, o Lord" (1986, Bearbeitung für Saxofonquartett und Bariton). Modal gefärbte, weiträumige Harmonik wechselte sich hier mit feinsinnig gestalteten Klangabstufungen ab. Die Sprachmelodie entwickelte sich wie von selbst. Reizvolle Wechsel der Tempi und Satztechniken stachen auch bei Henry Purcells Fantazia upon one note aus dem Jahre 1681 deutlich hervor. Immer wieder überraschte der Lettische Rundfunkchor aufgrund seiner ausserordentlichen gesanglichen Intensität und Ausdruckskraft.

Dies machte sich auch bei Arvo Pärts sieben Magnificat-Antiphonen für Chor a cappella (1988/91) bemerkbar, wo der Lettische Rundfunkchor die harmonische Durchsichtkeit großartig gestaltete. Selten hört man chromatische Abstufungen mit einer solch sphärenhaften Leichtigkeit. "On the dignity of man" für gemischten Chor und Saxofonquartett (2004/05) nach einem Text von Giovanni Pico della Mirandola von Bernd Franke erinnerte in der konzentrierten Interpretation durch den Lettischen Rundfunkchor an die Kompositionen von Krzysztof Penderecki. Aber auch Einflüsse von Witold Lutoslawski, John Cage und Morton Feldman machten sich bemerkbar. In länger klingende Tonblöcke mischten sich kurze, splittrige Tonfolgen, wobei die räumliche Verteilung bei dieser präzisen   Wiedergabe eine starke Intensität besaß. Scharfgezackte deklamatorische Linien und feinste Nuancierungen zwischen Singen und Sprechen wurden durch "Tontrauben" (Clusters) ergänzt, die sich immer mehr verdichteten. Melismatische und knappe ariose Passagen vermittelten den Eindruck konzentrierten Singens in unterschiedlichsten Stimmlagen.

Zum Abschluss begeisterte die bewegende Interpretation der Cantate "Figure humaine" ("Das menschliche Anlitz") sur un texte de Paul Eluard pour double choeur mixte a six voix aus dem Jahre 1945 von Francis Poulenc. Am Tag der endgültigen Befreiung von Paris in Zeiten der Resistance 1944 hängte Poulenc das Werk zusammen mit der französischen  Flagge aus dem Fenster. Der Lettische Rundfunchor unterstrich sehr stark den bekenntnishaften Charakter dieses Meisterwerks, dessen formklare Strukturen auch der Dirigent Sigvards Klava unterstrich. Neben der gesteigerten Chromatik zeigten sich immer wieder auch reizvolle Anklänge an Strawinsky sowie impressionistische  Farbigkeit.

Tiefgründige und verinnerlichte Passagen hinterließen hier einen prägnanten Eindruck. Als Zugabe sang der Lettische Rundfunkchor noch "Gebet für die Ukraine" mit einer berührenden Durchsichtigkeit. Begeisterter Schlussapplaus.

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

ERGREIFEND UND TIEFGRÜNDIG -- Bach-Kantaten mit der Gaechinger Cantorey im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Das vorletzte Konzert der Reihe "Vision Bach" stand unter dem Motto "Zum Himmel wandern". Unter der inspirierenden Leitung von Hans-Christoph Rademann musizierte die Gaechinger Cantorey zunächst die…

Von: ALEXANDER WALTHER

EIN HAUCH VON RENAISSANCE -- "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Kurt Weill und Bertolt Brecht in der Staatsoper STUTTGART

Die Inszenierung von Ulrike Schwab wartet mit einer Überraschung auf, denn das "Jüngste Gericht" von Michelangelo ist Teil des einfallsreichen Bühnenbildes von Pia Dederichs und Lena Schmid. Die…

Von: ALEXANDER WALTHER

BEWEGENDE VISUELLE STEIGERUNG -- Stuttgarter Ballett mit Tschaikowskys "Schwanensee" in der Staatsoper Stuttgart

Unsterblich ist die Choreographie John Crankos zu Peter Tschaikowskys "Schwanensee"-Ballett aus dem Jahre 1963 geworden, die jetzt wieder in Stuttgart zu sehen ist. In Bühnenbild und Kostümen von…

Von: ALEXANDER WALTHER

ZAUBER DER PANFLÖTE --- Neue CD "Impressions" bei Dabringhaus & Grimm

Als eine "Liebe auf den ersten Blick" bezeichnet Sebastian Pachel seine erste Begegnung mit der Panflöte, wovon man sich bei dieser Einspielung überzeugen kann. Für die vorliegende Aufnahme…

Von: ALEXANDER WALTHER

IM GESPENSTISCHEN NACHTZIRKUS --- "Das Rheingold" von Richard Wagner in der Staatsoper Stuttgart

Stephan Kimmig verlegt die Handlung von Wagners "Rheingold" in einen unheimlichen Nachtzirkus. Das merkt man schon gleich zu Beginn, wenn die Rheintöchter so ganz ohne Wasser Alberich verführen und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑