
Auch die kontrapunktisch kunstvolle Bearbeitung der Themen kam bei dieser Interpretation selbst in überwältigenden Kantilenen zum Vorschein. Angela Brower (Mezzosopran) wurde bei Robert Schumanns Liederzyklus "Frauenliebe und -leben" op. 42 von Alan Hamilton wiederum sehr emotional am Klavier begleitet. Die geheimnisvollen Verwandtschaften zwischen den Seelen und Dingen traten in den kurzen melodischen Formeln immer deutlicher hervor, wobei Angela Browers Stimme auch einen leidenschaftlichen Überschwang besaß, der sich immer mehr steigerte. So gewannen Lieder wie "Seit ich ihn gesehen", "Ich kann's nicht fassen" oder "An meinem Herzen" einen ganz ungewöhnlichen persönlichen Ausdruck, der einen tiefen Eindruck hinterließ.
Natasha Te Rupe Wilson interpretierte dann von der Empore aus die "Vocalise-etude" von Olivier Messiaen. Exaltierte Schwärmerei und filigrane Strukturen machten sich bei den sensibel gestalteten Kantilenen bemerkbar. Manche ästhetischen Motive verbanden sich mit differenzierten rhythmischen Prozessen, die die Gesangsstimme konzentriert begleiteten. Angela Brower interpretierte sensibel und ausdrucksstark zugleich "Chansons de Bilitis" von Claude Debussy, wobei die facettenreiche Melodik und Rhythmik deutlich hervorstach. Das atmosphärische Schwingen der Harmonik machte sich vor allem in der Singstimme bemerkbar, deren wunderbar farbenreicher Charakter bei einzelnen Nummern wie "La flute de Pan" oder "Le tombeau des Naiades" reizvoll hervorblitzte.
Natasha Te Rupe Wilson interpretierte die expressiv gestalteten "Mirabai Songs" aus dem Jahre 1982 von John Harbison hervorragend. Die dramatische Wirkungskraft blieb hier nicht aus. Den "Mirabai Songs" liegen Texte der indischen Mystikerin und Dichterin der Bhakti-Tradition Mirabai zugrunde, die um 1498 geboren wurde. Die Verehrung Krishnas steht hier in einem harmonisch äusserst vielschichtigen Zentrum.
In der eruptiven Komposition "Try Me, Good King" kommen die ehemaligen Frauen von König Heinrich VIII. von England zu Wort. Die 1950 geborene amerikanische Komponistin Libby Larsen hat dabei die Worte verwendet, die Catherine of Aragon, Anne Boleyn, Jane Seymour, Anne of Cleves und Catherine Howard gesagt haben. Es kommt hier immer wieder zu einer höchst dramatischen Zuspitzung mit scharfen dynamischen Kontrasten, die die Verzweiflung oder die Melancholie dieser Frauen in beklemmender Weise beschreiben. Intervallsprünge und kontrapunktische Meisterschaft zeichnen dieses Werk aus, das fast Bühnenwirksamkeit besitzt. Außerdem gibt es Einflüsse von Chuck Berry bis Witold Lutoslawski. Die Sopranistin Natasha Te Rupe Wilson zeigte sich hier wiederum als ideale Interpretin dieser Komposition, die die unterschiedlichen Stimmungen und Sinneseindrücke ausgezeichnet erfasste.
Begeisterter Schlussapplaus und "Bravo"-Rufe für dieses interessante Konzert in Zusammenarbeit mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart.