Zunächst erklang Boris Blachers bekanntestes und erfolgreichstes Werk, nämlich die Orchestervariationen über ein Thema von Niccolo Paganini op. 26. Es sind 16 Variationen, die im Jahre 1947 uraufgeführt wurden. Sie widmen sich einem Thema, das seit den Tagen des berühmten Teufelsgeigers immer wieder die Musiker interessiert hat. Die harmlos-einfache Melodie steht hier in bewegender Weise im Zentrum. Dennis Russell Davies interpretierte dieses Werk mit dem fabelhaften MDR Sinfonieorchester wie ein faszinierendes Mosaik, dessen Steinchen sich nach und nach lösten. Auch die Virtuosität stand hier immer wieder im Vordergrund. Ein impressionistischer Klangschleier schien sich neben Pizzicato-Einlagen und chromatischen Finessen in geheimnisvoller Weise durchzusetzen. Intervalle schufen Brücken zu melodischen Rhythmen, geistvollen Kapriolen und Jazzklängen. Einmal erschien die Melodie glitzernd, dann wieder tarnte sie sich spöttisch als Elegie, drohende Ostinatopassagen folgten. Die Melodie kam so in eine atemberaubende Zwickmühle. Huschend jagten die harmonischen Geschehnisse davon. Das bunte Feuerwerk entfaltete grandiose kontrapunktische Finessen, die Dennis Russell Davies mit dem MDR Sinfonieorchester immer wieder neu entfachte.
Dann interpretierte die Ausnahmegeigerin Alina Pogostkina in wunderbar beseeligender Weise "The Lark Ascending" ("Die aufsteigende Lerche") für Violine und kleines Orchester aus dem Jahre 1914 von Ralph Vaughan Williams. Hier wurde dank des MDR Sinfonieorchesters unter der inspirierenden Leitung von Dennis Russell Davies auch deutlich, wie stark Vaughan Williams seine Werke aus dem Volkslied aufbaute. "Die aufsteigende Lerche" gilt als "Englands heimliche Nationalhymne". Ein Lerchen-Gedicht gab Vaughan Williams dazu den Impuls. Nach seiner Beteiligung am ersten Weltkrieg schloss er die Komposition im Jahre 1920 ab. Die berühmteste Geigerin Englands, Marie Hall, führte sie zum ersten Mal auf. Das Stück gilt als akrobatisches Meisterwerk. Die Lerche wird hier in rasanten 64-tel Noten in ihren Bewegungen charakterisiert. Und Alina Pogostkina gelang es, ihren Kantilenen eine leidenschaftliche Intensität zu verleihen, die völlig unter die Haut ging. Unzählige Triller verstärkten den magischen Effekt des Tirillierens in betörender Weise. Die Violine tastete sich dank Alina Pogostkinas ausgefeiltem Spiel über pentatonisch grundierten Grundfolgen in imponierender Weise in die Höhe. Als Zugabe beschwor sie noch den "Gesang der Vögel".
Zum Abschluss folgte dann eine überaus mitreissende Interpretation von Antonin Dvoraks Sinfonie Nr. 9 in e-Moll op. 95 "Aus der Neuen Welt", die dieser während seines Aufenthalts in Amerika im Jahre 1893 schrieb. Diese Sinfonie ist nicht nur eine Huldigung an die Heimat, sondern vor allem auch ein ergreifendes Lied des Heimwehs. Dies wurde bei der gelungenen Wiedergabe durch Dennis Russell Davies deutlich. Nach einer kurzen, spannungsvollen Adagioeinleitung eröffnete das naturfrische Hauptthema den an Beethovens Sonatenschema orientierten ersten Satz "Allegro molto". Dem Vordersatz der Hörner ließen die Klarinetten wie eine forsche böhmische Polka den Nachsatz folgen, der an Schuberts siebte Sinfonie erinnerte. Dreimal meldete sich der Gruß der Heimat mit munteren Fortspinnungen und Umspielungen, dann stimmten Flöten und Oboen erfrischend das zweite Thema an. Die amerikanische Herkunft dieser Melodie bestach auch mit slawischer Wehmut und träumerischer Monotonie. Frohere und energischere Töne schlug das dritte Thema an, das in der Flöte erklang. Durchführung, Reprise und Coda unterstrichen die sieghafte Lebensfreude. Hervorragend musiziert wurde auch der zweite Largo-Satz, der mit leisen Bläserakkorden anhob und die schwermütige Legende der indianischen Prärie sang. Unermesslicher Stimmungszauber erfüllte die Hauptmelodie dieses Satzes, die zuerst im melancholischen Ton des Englisch-Horns erklang. Eine sehnsüchtig gespielte Flötenmelodie beherrschte den Mittelteil, der sich immer mehr belebte. An dieser Steigerung beteiligte sich auch der Widerhall eines Negro-Spirituals. Drohend betonten die Posaunen das Hauptthema des ersten Satzes. Resigniert meldete sich nochmals das Englisch-Horn. Sehr robust und vital gestaltete Dennis Russell Davies mit dem MDR Sinfonieorchester das Scherzo Molto vivace. Eine rhythmisch spritzige Melodie führte zum wilden Stampfen eines Tanzes. Dynamische Kontraste bot die reizvoll musizierte Trio-Episode, deren friedlich wiegende Weise die Largomelodie des Englisch-Horns vor sich hin sang. Ein dreiklangfrohes Holzbläserthema klang wie eine Huldigung an Schubert. In der Coda setzte sich das Hauptthema des ersten Satzes bei dieser Wiedergabe wieder deutlich durch. Leidenschaftlich erregt spielte das MDR Sinfonieorchester unter Dennis Russell Davies dann das Finale Allegro con fuoco. Das markig-trompetenfreudige Hauptthema erinnerte an Tschaikowsky. Klang und Pathos wurden hier aber nicht übertrieben. Eine hinreissende Kraft offenbarte sich dabei auch in den Klarinetten, die zudem zart eine böhmische Heimatmelodie als zweites Thema anstimmten. Melodien aller vier Sätze bot die ausgezeichnet musizierte Durchführung mit der Stretta gegeneinander auf. Das Hauptthema des ersten Satzes beschwor zuletzt in bewegender Weise die Liebe zur Heimat.
Jubel, "Bravo"-Rufe.