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FEINE KLANGLICHE BALANCE - Chorkonzert zur Passion in der katholischen Kirche St. Eberhard in Stuttgart / Internationale Bach-Akademie Stuttgart

09. März 2024

Ein interessantes Konzert mit Bach-Bearbeitungen präsentierte der Konzertchor der Mädchenkantorei Stuttgart unter der inspirierenden Leitung von Domkapellmeisterin Lydia Schimmer. Zunächst erklang der Choral "Aus tiefer Not schrei ich zu dir" BWV 38/6 von Johann Sebastian Bach als facettenreiche Improvisation für Chor und Orgel (Lukas Grimm). Die reine und hohe Spiritualität der Kantilenen stach hier in ergreifender Weise hervor, wobei die Kunst der thematischen Verarbeitung hervorragte.

Copyright: Portrait J.S.Bach

Das "duo imPULS" mit Barbara und Sebastian Bartmann (Klavier) interpretierte dann einfühlsam die Präludien in cis-Moll und d-Moll aus dem "Wohltemperierten Klavier" von Johann Sebastian Bach in der einfallsreichen Bearbeitung von Sebastian Bartmann (aus "minimalBACH"). Die sich zur Oktave aufschwingende und dann wieder auf die Quinte zurückfallende Melodielinie konnte man dabei gut nachvollziehen, aufgrund der harmonischen Differenzierung ergaben sich geradezu mystische Akkorde. Ein schwärmerisches und fast ekstatisches Gefühl machte  sich außerdem beim d-Moll-Präludium bemerkbar. Es war ein fast romantisches Erlebnis wogender Harmonien.

Aus den "Biblischen Sprüchen" von Georg Philipp Telemann erklang dann für Chor und Orgel "Ich bin arm und elend" mit dem Konzertchor der Mädchenkantorei Stuttgart, wobei die Kunst der thematischen Verarbeitung und Cantus-firmus-Technik immer wieder bewegend hervorleuchtete. Aus "minimalBACH" spielte das Klavierduo daraufhin das b-Moll-Präludium von Johann Sebastian Bach. Wieder überzeugte das Sakrale und Mystische in der subtilen Bearbeitung von Sebastian Bartmann, wobei die dynamische Spannung bei zahlreichen klanglichen Kontrasten auftrat. Thematischer Reichtum blitzte dann auch bei den weiteren Präludien in A-Dur, a-Moll, E-Dur, g-Moll und B-Dur auf, wobei Bach als großer Meister der absoluten Form überzeugte. Die Leuchtkraft der E-Dur-Tonart und ihrer zarten Begleitung verband sich geheimnisvoll mit dem strengen Klang des g-Moll-Präludiums, das eher schwer und pathetisch wirkte.

Ein Höhepunkt des Konzerts war "Der Kinderkreuzzug" ("Children's Crusade") op. 82 von Benjamin Britten - eine expressive Ballade für Kinderchor, zwei Klaviere, Orgel und Schlagzeug. Dabei geht es um eine Gruppe von Kindern, die zu Kriegswaisen geworden sind. Hier kam das Percussionensemble der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart noch hinzu. Der Sinn für klangliche Feinheiten machte sich dabei bemerkbar, ebenso die gemäßigt moderne Tonsprache. Überall zeigte sich die Virtuosität des Tonsatzes, der Formsinn und das instrumentale Raffinement. Der Konzertchor der Mädchenkantorei Stuttgart interpretierte dieses Werk, das auf einer Vertonung von Bertolt Brechts "Kinderkreuzzug" basiert, mit vielschichtigen harmonischen Abstufungen und feiner klanglicher Balance. Die Dirigentin Lydia Schimmer unterstrich einfühlsam die suggestive und fantasievolle Synthese vieler Stilelemente.  Man spürte hier aber auch, dass die Tonsprache von Benjamin Britten von Henry Purcell, Georg Friedrich Händel, Igor Strawinsky und Alban Berg beeinflusst wurde. Die knappen Themen hatten hier als Klage über unschuldige Opfer höchste Bildkraft. Und auch der Sinn fürs Poetische ging nicht verloren: "So gab es Glaube und Hoffnung, nur nicht Fleisch und Brot..."

Dazu passte dann die wirkungsvolle Interpretation des Chorals "Christus, der uns selig macht" BWV 245/15 für Chor und Orgel von Johann Sebastian Bach. Die Thematik ragte mit ihren Cantus-firmus-Elementen auch hier bedeutungsvoll   hervor. Es folgte die Improvisation für Chor und Orgel/Klaviere über den weiteren Bach-Choral  "Befiehl du deine Wege" BWV 270. Die sphärenhaften Elemente gewannen dabei eine eindrucksvolle Intensität. Das Tonmaterial wurde bis in die letzten Tiefen durchforscht und ausgeleuchtet. Aus den "Biblischen Sprüchen" von Georg Philipp Telemann erklangen noch die beiden Choräle "Wenn mir angst ist, so rufe ich den Herrn an" sowie "Die ihm vertrauen". Der polyphone Satz wirkte hier ausgesprochen durchsichtig, die Harmonik zeigte auch koloristische Ansätze. Die Mädchenkantorei interpretierte die sinnfällige Melodik immer wieder ausdrucksstark und mit viel Tiefgang.

Begeisterter Schlussapplaus.
 

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