Das Bühnenbild von Silvia Merlo und Ulf Stengl weist mit sich geheimnisvoll bewegenden Schriftzügen auf Vorgänge des Unterbewusstseins hin (Video: Ulf Stengl). Noch ein letztes Mal möchte der von Felix Jordan ausdrucksvoll dargestelllte Christof mit seiner Freundin Nicola (wandlungsfähig: Camille Dombrowsky) einen Tag verbringen. Sie nimmt ihn mit auf eine Reise in ihre alte Schule, das Schwimmbad und den Fernsehturm. Stuttgart spielt hier als Stadt eine entscheidende Rolle. Und Christof verabschiedet sich schließlich mit sarkastischem Humor. Er ist froh, den Planeten zu verlassen, weil er den Zustand der Welt nicht länger erträgt.
Immer tiefer dringt der Zuschauer bei dieser Aufführung in die Erfahrung verweifelter Lebenssehnsucht vor. Und die letzte Feier wird ein Symbol für verlorene Lebensfreude. Auch Christofs Vater Walter (den Klaus Rodewald einfühlsam mimt) spielt dabei eine entscheidende Rolle, Er versinkt der nach dem Tod seiner Frau in Schwermut, er wird zu Matheus sagen: "Ich will dich nie mehr wiedersehen". Noch schärfer wird allerdings sein Onkel Matheus gezeichnet, dem Matthias Leja als Darsteller ein eindrucksvolles Charakterporträt widmet. Diesen Mann, der wegen Kindesmissbrauchs schon im Gefängnis saß, plagen immer wieder schwere Alpträume, die auf der Bühne ihre Wirkung nicht verfehlen.
Als liebeskranke Karolina überzeugt ferner Teresa Annina Korfmacher, für die das neugeborene Kind ihres Bruders die letzte Hoffnung ist. Als Deutschlehrerin Marie brilliert Therese Dörr, die in dem 18jährigen Studenten Tomas (mit vielen Nuancen: Simon Löcker) ihren verstorbenen Sohn erkennt. Es gelingt ihm, das triste Leben dieser einsamen Frau wieder aufzuheitern. Beide fallen in eine Art tranceartigen Tanz, verlieren sich im Uferlosen. In weiteren Rollen überzeugen noch Tim Bülow als Benjamin, Gabor Biedermann als Lukas sowie Boris Burgstaller als Karl.
Es ist festzustellen, dass sich das schauspielerische Niveau im Lauf der Aufführung erheblich steigert. Die Figuren erscheinen auch in einem psychotherapeutischen Licht - nicht umsonst wird im Programmheft Sigmund Freud zitiert. Fast ironisch stellt der Regisseur Elmar Goerden das Gruppengefühl dar - wie eine seltsame Parabel auf eine verlorene Generation vor dem Hintergrund des Klimawandels. Generationsübergreifende Konflikte könnten zuweilen noch schärfer herausgearbeitet werden, ebenso die Psychologie der Protagonisten.
Dargestellt wird eine Jugend, die sich von ihren Eltern im Stich gelassen fühlt. Insgesamt ist es eine gelungene Uraufführung. Eindrucksvoll ist vor allem der Schluss, wenn es schneit und Christof schließlich stirbt. Er sagt zuletzt zu Nicola: "Ich will mit dir tanzen". Und die Regieanweisung folgt diesem Vorhaben: "Die ganze Stadt schließt sich an. Es ist unsagbar schön." Missglückte Lebensentwürfe und veraltete Skripte gehen jetzt endgültig unter. Das ist auch dramaturgisch geschickt gelöst. Es ist ein Denkmal für die Opfer des britischen Klassensystems.
Für das gesamte Team gab es "Bravo"-Rufe".