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Traum oder Wirklichkeit? "Die Tote Stadt" von Erich Wolfgang Korngold in der Deutschen Oper am Rhein

Premiere am 16. April 2023 im Opernhaus Düsseldorf

Nach dem Tod seiner über alles geliebten Frau Marie hat sich Paul nach Brügge zurückgezogen, einer Stadt, die für ihn mit ihren alten kleinen Häusern, kleinen Gassen und zahlreichen Kanälen einen morbiden Charme ausstrahlt und seiner melancholischen Stimmung entspricht. Den Tod seiner Frau hat er nicht verkraftet, er badet in seiner Trauer und hat Marie idealisiert und ihr eine übermenschliche Reinheit zugesprochen.

 

Copyright: Sandra Then

Ähnlich wie Oskar Kokoschka, der nach der Trennung von Alma Mahler Werfel diese als Puppe hat anfertigen lassen um Ihre Anwesenheit zu simulieren, lässt Daniel Kramer in seiner Inszenierung von Korngolds Oper "Die Tote Stadt" für die Deutsche Oper am Rhein Paul als Puppenmacher auftreten, der Marie gleich mehrfach als Puppe nachgebildet hat, um sie in effigie verehren zu können. Sein Lebensgerüst bricht zusammen, als er auf den Straßen Brügges Marietta begegnet, die seiner Frau äußerlich verblüffend ähnlich sieht, aber charakterlich das genaue Gegenteil zu sein scheint, lebenslustig und sinnlich. Mit Panik reagiert er auf seine aufwühlenden Gefühle.

In seiner Inszenierung arbeitet Daniel Kramer mit starken symbolhaften Bildern. Pauls Wohnung quillt über vor Rosen, dem Symbol der Liebe, eine süßlich kitschige Ausstattung, die seinen Liebeswahn ironisiert. Die Unmöglichkeit, Pauls Schmerz zu überwinden, ihm nahe zu kommen, wird durch das Verharren seines Freundes Frank auf der Türschwelle verdeutlicht. Auch lässt er Marie als Figur auftreten, quasi als personifizierten Tod und starken Kontrast zur lebenslustigen Marietta. Ein Bild des Antagonismus von Leben und Tod. Das Motiv des Doppelgängers, das in der Literatur besonders bei E.T.A. Hoffmann eine große Rolle spielt, wird hier explizit sichtbar gemacht.

Das krankhafte Verhalten Pauls, sein nicht Loslassenkönnen und -wollen, die Überhöhung seiner Frau, die er zu Heiligen mystifiziert, und die Verstrickung in eine Liebe zu einer carmenhafen Frau lässt vermuten, das Paul diversen Täuschung erlegen ist, vielleicht ein schuldhaftes Verhalten verdrängt. Das alles bleibt im Ungewissen und Daniel Kramer bedient sich dieser Ungewissheit, um auch die Handlung der Oper in der Schwebe zu halten. Hat Paul wirklich Marietta erwürgt? Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Ein offenes Ende.

In der großartige Inszenierung brilliert Corby Welch als Paul und Nadja Stefanoff als Marietta, die enthusiastisch vom Publikum gefeiert wurden. Beeindruckend auch Mara Guseynova als Marie mit ihren pantomimischen Einlagen, überzeugend auch Emmett O'Hanlon als Frank und Anna Harvey als Brigitta. Die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Axel Kober spielten die spätromantische Oper mit großem Gefühl. Eine stimmige Leistung des gesamten Ensembles.

Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Daniel Kramer
Bühne und Kostüme: Marg Horwell
Licht: Peter Mumford
Chorleitung: Gerhard Michalski
Einstudierung Kinderchor: Ricardo Navas Valbuena
Dramaturgie: Anna Grundmeier

Paul: Corby Welch
Marietta: Nadja Stefanoff
Marie: Mara Guseynova
Frank/Fritz: Emmett O'Hanlon
Juliette: Anna Sophia Theil
Lucienne:n Alexandra Yangel
Victorin: Stefan Cifolelli
Graf Albert: Florian Simson
Gaston: Chidozie Nzerem
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Kinderchor (Aufnahme): Düsseldorfer Mädchen- und Jungenchor
Düsseldorfer Symphoniker

 

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