Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
MIT BEWEGENDER LEUCHTKRAFT -- Musikfest Stuttgart mit Bach-Kantaten in der Liederhalle/STUTTGARTMIT BEWEGENDER LEUCHTKRAFT -- Musikfest Stuttgart mit Bach-Kantaten in der...MIT BEWEGENDER...

MIT BEWEGENDER LEUCHTKRAFT -- Musikfest Stuttgart mit Bach-Kantaten in der Liederhalle/STUTTGART

am 31. Mai 2024 im Mozartsaal

Dieses Abschlusskonzert der Gesamtaufführungen zum 300-jährigen Jubiläum von Bachs erstem Leipziger Kantatenjahrgang mit der exzellenten Gaechinger Cantorey unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann geriet überaus glanzvoll und lebendig. Dies zeigte sich sogleich bei Johann Sebastian Bachs mit elektrisierendem Feuer vorgetragener Kantate "Wer mich liebet, der wird mein Wort halten" BWV 59, wo sich die beiden Gesangssolisten Miriam Feuersinger (Sopran) und Tobias Berndt (Bass) bestens ergänzten. Insbesondere die Bass-Arie mit Violine Solo gewann hier eine ungewöhnliche Intensität und Farbigkeit. Und auch die Sopranpartie beeindruckte mit virtuosen Kantilenen und bewegenden Gesangslinien.

 

Copyright: Holger Schneider: Benedikt Kristjansson

Die Streicher gewannen einen immer größeren harmonischen Radius, der den Gesangsstimmen aber auch genügend Freiraum ließ. Die erste Violine gab den Sängern eine eindringliche Grundlage. Der Sopran stieg dann in sphärenhafter Weise tatsächlich in den Himmel auf, ohne sentimental zu wirken. Auch bei der Kantate "Erwünschtes Freudenlicht" BWV 184,2 beeindruckten neben den Cantus-firmus-geprägten Choralpartien vor allem die gesanglichen Leistungen des mit effektvollen Phrasierungen aufwartenden Tenors Benedikt Kristjansson. Die Passage "vollkommene Himmelsfreude" geriet vom eindringlichen Deklamieren zum figurativ-verzierungsreichen Jubeln.

Reizvoll gestaltet wurde auch der durchsichtig gesungene Choralsatz Nr. 5, dem als heitere Gavotte noch ein Schlusschor folgte, wo Sopran und Bass facettenreich hervorblitzten. Bei der Kantate "Erhöhtes Fleisch und Blut" BWV 173,2 war Hans-Christoph Rademann mit der hervorragend deklamierenden Gaechinger Cantorey ebenfalls in seinem Element. Die vier Gesangsstimmen sorgten dabei für eine erfrischende Lebendigkeit, wobei Marie Henriette Reinhold  (Alt) ihre Arie "Gott will, o ihr Menschenkinder" mit berührender Emphase schmückte. Der Schlusschor mit zwei Flöten, Streicher und basso continuo erklang ebenso schlicht wie ergreifend. Die stürmischen Bewegungen der Sänger schienen Sopran und Bass bei ihrem Dialog geradezu anzuspornen. Am Ausklang des Barock wurde hier noch einmal alles gesichtet, was Bach von der versinkenden Epoche zugetragen wurde.

Am eindrucksvollsten wurde dies bei der abschließend interpretierten Kantate "Erschallet ihr Lieder" BWV 172,2 deutlich, wo sich die vier Gesangssolisten ebenfalls mit überwältigender Intensität einfügten. Die Worte aus dem Pfingst-Evangelium erhielten dabei besonderes Gewicht. Christus erschien selbst in Gestalt der Bassstimme. Benedikt Kristjansson interpretierte die Tenorarie Nr. 4 in Begleitung der Flöte ausgesprochen filigran - und auch das reizvolle Duett mit der Seele (Sopran) und dem Heiligen Geist (Alt) gewann in der Wiedergabe durch Miriam Feuersinger und Marie Henriette Reinhold einen immer größeren dynamischen Ausdruck.

Ein Höhepunkt war dann der abschließende Choral "Von Gott kömmt mir ein Freudenschein", wo die Gaechinger Cantorey den pompös-majestätischen Impetus passend betonte. Violine und Flöte bereicherten diese Passage mit feinnerviger Virtuosität und Strahlglanz. Und auch die Oboe d'amore besaß sphärenhaften Reiz. Der protestantische Choral trat mit innerer Zauberkraft hervor, wo auch die fugen- und variationsfreudige Kunst niederländisch-englischer Herkunft souverän zum Ausdruck kam. Sprühendes Konzertieren und die reiche Skala zwischen Freude und Schmerz wurden hier facettenreich ausgekostet. Und doch übertrieb Rademann das gravitätische Pathos mit dem Ensemble nicht. Lebendige Polyphonie blühte auf.

Viele "Bravo"-Rufe.
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 15 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

DIE SUCHE NACH DER WAHRHEIT -- Gastspiel "Chaim & Adolf" mit dem Theater Lindenhof Melchingen im Studiotheater STUTTGART

Der österreichische Autor Stefan Vögel schildert hier in ironischer Weise eine Begegnung im Gasthaus zwischen Chaim Eisenberg (Israeli mit deutschen Wurzeln) und dem Bauern Adolf Oberhuber. Vögel…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT ERHABENER GRÖßE -- Chamber Orchestra im Forum am Schlosspark bei den Schlossfestspielen LUDWIGSBURG

Zunächst interpretierte das vorzügliche Mahler Chamber Orchestra unter der einfühlsamen Leitung von Anja Bihlmaier die Ouvertüre Nr. 2 in Es-Dur op. 24 von Louise Farrenc, die von Zeitgenossen wie…

Von: ALEXANDER WALTHER

Realitätsverlust -- „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner in der Deutschen Oper am Rhein

Der Holländer fliegt dieses Mal nicht über Meere, sondern zeigt sein markantes Seebärengesicht auf einer Filmleinwand. In Vasily Barkhatovs Inszenierung des "Fliegenden Holländers" von Richard Wagner…

Von: Dagmar Kurtz

ZULETZT BRENNT DAS HOTEL -- "Hotel Savoy oder ich hol' dir vom Himmel das Blau" als Hybridoperette im Schauspielhaus STUTTGART

Joseph Roth war einer der großen Prosaisten Österreichs, der in seinen Romanen das Bild der erbarmungslosen modernen Welt zeichnete. So auch in "Hotel Savoy", das jetzt das Schauspiel Stuttgart als…

Von: ALEXANDER WALTHER

KOMPAKTE WUCHT -- Neue CDs: Bruckners 7. und 8. Sinfonie mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (jetzt SWR Symphonieorchester) unter Eliahu Inbal bei Naxos erschienen

Seit ihrer Uraufführung im Jahre 1884 ist die siebte Sinfonie in E-Dur von Anton Bruckner bis heute am häufigsten gespielt worden. Die reiche Melodienherrlichkeit des Werkes kommt auch in der…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑