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EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Apriil 2024

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In Prag hatte das Werk dann aber einen verdienten Erfolg, was jetzt auch die Neuaufnahme mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der inspirierenden Leitung von Patrick Hahn bestätigt. Ablehnend reagierte übrigens Alma Mahler-Werfel auf die "Florentinische Tragödie" - sie löste wahrscheinlich starke Assoziationen zum Dreiecksverhältnis von Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky und Alma Mahler aus, denn Alma war vor der Heirat mit Mahler Zemlinskys Geliebte.

Copyright: NAXOS Deutschland

Vielleicht hat Zemlinsky die Doppelbödigkeit von Oscar Wildes literarischer Vorlage angezogen. Die Handlung des abgründigen Werkes spielt in Florenz im 16. Jahrhundert. Im Zentrum steht ein Zimmer des Kaufmanns Simone. Dort kniet Guido Bardi, der Sohn des Herzogs von Florenz, vor Bianca, der Frau des reichen Kaufmanns Simone. Simone möchte dem Prinzen ein prachtvolles Gewand aus Damast anbieten, dessen Bezahlung Guido für den nächsten Tag zusagt. Als er Guido aus Dankbarkeit alles anbietet, was er besitzt, fragt dieser, ob dies auch für Bianca gelte. Simone geht darauf nicht ein, was die Situation verschlechtert. Argwöhnisch beobachtet er die Zuneigung seiner Frau für den Prinzen. Die Situation eskaliert immer mehr - und schließlich fordert er ihn zum Duell heraus. Mit ihren Schwertern ausgerüstet bereiten sich die Kontrahenten zum Kampf vor.  In der Finsternis gelingt es Simone, Guido zu überwältigen. Er erwürgt den Prinzen. Bianca ist begeistert von der Stärke ihres Ehemannes - und das Paar besiegelt seine Versöhnung mit einem Kuss.

Tonale Bezüge sind bei Zemlinsky deutlich vorherrschend. Dies zeigt sich anhand von raffinierten Akkordfolgen und Klangmischungen. Eine gewisse Nähe besteht zu Franz Schreker und Richard Strauss. Die "aufpeitschende Fanfare" eröffnet diese explosive Klangmischung sehr spontan. Patrick Hahn arbeitet mit dem einfühsam und strahlkräftig musizierenden Münchner Rundfunkorchester die Leitmotive und die düstere Moll-Atmosphäre dieser Komposition eindringlich heraus. Die Demaskierung der beiden männlichen Widersacher gelingt so sehr charakteristisch. Als Verführte und Verführerin überzeugt Rachael Wilson mit wandlungsfähiger Mezzosopranstimme. Die Femme fatale kommt zuletzt zum Vorschein, wenn sie "mit zarter Begeisterung" vor Simone auf die Knie sinkt.

Als Simone seine Stoffe präsentiert, zieht Zemlinsky alle Register seiner raffinierten Instrumentationskunst. Er zeigt eine Nähe zu Alban Berg und Gustav Mahler, ohne sich der Neuen Musik zurechnen zu lassen. Harmonisch ergibt sich auch eine gewisse Ähnlichkeit zu Zemlinskys "Lyrischer Sinfonie", was Patrick Hahn mit dem Münchner Rundfunkorchester akribisch herausarbeitet. Als Bianca den Tod Simones herbeiwünscht, erklingt ein entscheidendes Motiv. Mit klangfarblich reicher Tenorstimme agiert hier immer wieder Benjamin Bruns als Guido Bardi, während Christopher Maltman als Simone mit sonorem, facettenreichem Bariton überzeugt.  

Sehr gut arbeitet Patrick Hahn als umsichtiger Dirigent mit dem glutvoll musizierenden Ensemble das jähe Erwachen des Finales heraus, als Simone das Schwert Guidos entdeckt. Die Form des sinfonischen Rondos wird dabei hörbar. Die Abfolge von vier Tönen aus Simones Monolog wird kraftvoll herausgemeisselt. Triumphal und monumental wie Franz Schreker gestaltet Alexander Zemlinsky den rauschhaft-überwältigenden Schluss. Die fesselnde Gestaltung des thematischen Materials steht im Zentrum. Expressive Steigerungen und die Erweiterung der Tonalität gelingen bei dieser Aufnahme akustisch vortrefflich. Man könnte sie sogar noch intensiver gestalten. Auch die vorantreibende Kraft der Themen kommt nie zu kurz. Einschübe und Dehnungen der Themen gemahnen zuweilen sogar an den frühen Schönberg.
 

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