Anschließend war "Di:a-log" (2024) von Zoey Jaeyeon Jo als Uraufführung zu hören. Dieses interessante Streichquartett besteht aus Beethovens Großer Fuge und den musikalischen Materialien der Komponistin. Klänge und visuelle Arbeiten kontrastieren mit der Großen Fuge. Intervallspannungen führen immer wieder zu elektrisierenden akustischen Höhepunkten. Alina Kikhno (Violine 1), Junyoung Yang (Violine 2), Hohoe Kaya (Viola) und Sebastian Triebener (Violoncello) ließen zusammen mit Piet Johan Meyer und Igor Stepanov (Elektronik & Klangregie) den Klangzauber von Beethovens Großer Fuge mit allen Verfremdungen erstrahlen. Zudem wurden einzelne Sequenzen noch in Video-Aufnahmen zugeschaltet. Vier Stimmen wurden dabei zu Trägern und Vermittlern des konzentrierten und linear angelegten Tonsatzes, dessen Intensität ständig zunahm. Die ununterbrochene Reihe von Einzelfugen variierte die Komponistin Zoey Jaeyeon Jo nochmals klanglich differenziert, gezackt-punktierte Kontrapunkte splitterten sich hier gleichsam auf. Sechzehntel-Figurationen sowie Terzen- und Sextenparallelen blieben immer wieder versteckt hörbar. Teilabspaltungen, Umkehrungen und Modulationen prägten dabei die thematisch und motivisch kühne Arbeit.
Eine weitere Uraufführung war dann "Quahr" als Concertino für Setar und großes Ensemble des iranischen Komponisten Vahid Hosseini. Das fulminante echtzeit Ensemble des Studios für Neue Musik der Musikhochschule musizierte hier unter der umsichtigen Leitung von Delia Ramos Rodriguez. Insbesondere Harfe und Orgel bildeten dabei ein irisierendes Grundgerüst, dessen gewaltige dynamische Steigerungen im Gedächtnis blieben.
"Reunion" von Tyler Cunningham war eine Performance, die der Künstler selbst präsentierte. Der in Stuttgart lebende Performer, Forscher und Perkussionist machte deutlich, dass er als Kind davon träumte, Pauker zu werden. Die Bewegungen dieses Instruments wurden immer wieder imitiert, Cunningham erinnerte sich an die Gesten der ersten Paukenauszüge, erwähnte auch Komponisten wie Samuel Barber.
Höhepunkt dieses ersten Konzerts im Rahmen des Werkstattfestivals war sicherlich die überzeugende Interpretation von "Guai Ai Gelidi Mostri" (1983/1988) von Luigi Nono mit dem echtzeitEnsemble des Studios für Neue Musik unter der konzentrierten Leitung von Christof M Löser, wo der bewegliche und nicht statische Klang neben Mikrointervallen im Mittelpunkt stand. Verschiedene Transpositionen des Klangspektrums werden dabei von Texten von Gottfried Benn, Lucrez, Carlo Mittelstaedter, Friedrich Nietzsche, Ovid, Ezra Pound, Rainer Maria Rilke und Franz Rosenzweig begleitet. Die Gesangsstimmen von Thalia Hellfritsch (Alt 1) und Hanna Schäfer (Alt 2) bildeten hierbei ein geradezu sphärenhaft-überirdisches Klangspektrum, das von scharfen Intervallen der Piccolotrompete abgegrenzt wurde. Gregorianischer und synagogaler Gesang wandelten sich gleichsam ab. Auch hier herrschte das Formkonzept des Fragmentarischen sehr deutlich vor. Über allem erschien fast geisterhaft die Silhouette Venedigs. Aus dem Lautsprecher war das Echo verstummter Stimmen zu vernehmen: "Wehe den kalten Ungeheuern..." Stringente musikalische Gesten wurden vom Dirigenten Christof M Löser nuancenreich unterstrichen. "Bravo"-Rufe im Konzertsaal.