
„hier war sein zu hause / früher / wir wohnten zwischen den weizen und den maisfeldern / in blocks mit kiefern und pappeln hinten raus vorne parkplätze müllcontainer / kinderwagen / nebenan das wichtigste der flugplatz / fast alle wollten wir flieger werden die meisten wurden / verlierer“. Herman wird in Charkiw von einem ominösen Anruf aufgeschreckt. Sein Bruder, der am Rande der Steppe, in der Nähe seiner Heimatstadt, eine Tankstelle betreibt, ist spurlos verschwunden. Sofort bricht Herman auf und trifft nach einer wilden Fahrt am Ort des Geschehens auf Kotscha und Schura, die Angestellten seines Bruders. Zusammen versuchen sie die Tankstelle gegen die Attacken eines einheimischen Oligarchen und seiner Bande zu retten. Ein Überlebenskampf beginnt, kein Western in den endlosen Weiten Amerikas, sondern ein „Eastern“ in der Pampa der krisengeschüttelten Ukraine der 90er Jahre.
Serhij Zhadan hat in „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ eine Mischung aus Roadmovie und Schelmenroman geschrieben, den Armin Petras nun in einer eigenen Fassung zur Uraufführung im Theater am Goetheplatz bringt. Zhadan, 2022 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Hannah Arendt-Preis für politisches Denken ausgezeichnet, beschreibt in seinem Roman aus dem Jahr 2010 das Jahrzehnt nach dem Zerfall der Sowjetunion, die wilden 90er Jahre in der gerade unabhängig gewordenen Ukraine.
„In ‚Die Erfindung des Jazz im Donbass‘ spricht Zhadan für die Generation von Ukrainerinnen und Ukrainern, die im Sowjetsystem aufgewachsen sind und sich in der postdiktatorischen Zeit mühsam befreien mussten. Armin Petras entführt mit seiner bunten Inszenierung in die anarchisch-verrückte Welt der wilden 90er Jahre, lange bevor sich die Ukraine gegen den Angriffskrieg von Putins Russland wehren musste,“ so Klaus Missbach, der die Produktion als Dramaturg begleitet: „Kein dunkles Stück, ein helles, voller Empathie für seine skurrilen Figuren und mit viel Musik zwischen Balkanpop und Gospel.“
Armin Petras studierte Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Als Oberspielleiter arbeitete er am Theater Nordhausen sowie als Hausregisseur am Schauspiel Leipzig. Von 1999 bis 2002 war er Schauspieldirektor am Staatstheater Kassel, im Anschluss daran wurde er als Hausregisseur am Schauspiel Frankfurt engagiert und leitete dort drei Jahre die Spielstätte in der Schmidtstraße. Im Jahr 2006 übernahm er die Intendanz am Maxim Gorki Theater Berlin. In den Spielzeiten 2013/14 bis 2017/18 leitete er als Intendant das Schauspiel Stuttgart. Neben seiner inszenatorischen Tätigkeit ist Petras auch als Autor von Bühnenstücken unter dem Pseudonym Fritz Kater bekannt. Für sein Stück „zeit zu lieben zeit zu sterben“ wurde er 2003 mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet. Für sein Gesamtwerk erhielt Fritz Kater 2008 den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis. Petras war ab der Spielzeit 2018/19 bis 2021/22 Hausautor und Hausregisseur am Theater Bremen. Er inszenierte in den vergangenen Spielzeiten im Musiktheater u. a. „Anna Karenina“, „Lady Macbeth von Mzensk“, „Die tote Stadt“ und „Jenufa“, außerdem schrieb er das Libretto für die spartenübergreifende Musiktheaterproduktion „Wahlverwandtschaften“ in der Regie von Stephan Kimmig. Im Schauspiel gab er 2018 seinen Einstand mit „Love you, Dragonfly“ von Fritz Kater, der dafür 2019 den Ludwig-Mülheims-Theaterpreis bekam. Darauf folgten „Lulu – Ein Rock-Vaudeville“, „Schloss Rosmersholm“ von Henrik Ibsen sowie „Milchwald“ von Fritz Kater und in der letzten Spielzeit im Schauspiel Grossmans „Leben und Schicksal“ und im Musiktheater „Pique Dame“ von Peter I. Tschaikoswsky. Seit der Spielzeit 2022/23 leitet Armin Petras – gemeinsam mit Franziska Benack und Philipp Rosendahl – das Schauspiel am Staatstheater Cottbus.
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext
Regie: Armin Petras
Bühne: Peta Schickart
Kostüme: Annette Riedel
Musik: Johannes Hofmann
Video: Maria Tomoiagă
Licht: Norman Plathe-Narr
Dramaturgie: Klaus Missbach
Mit:
Christian Freund, Lisa Guth, Ferdinand Lehmann, Andreas Leupold, Timos Papadopoulos, Susanne Schrader, Ksenia Sobotovytch, Fania Sorel, Alexander Swoboda, Maria Tomoiagă, Patrick Balaraj Yogarajan, Simon Zigah