Die Stadt Hamburg verleiht dem Star der internationalen Verlagsszene, dem Briten Sir Rudolf Ulmer, eine Ehrenmedaille für dessen Verdienste in der deutsch-englischen Zusammenarbeit: Sir Ulmer engagiert sich seit Jahrzehnten für die Veröffentlichung deutscher Nachkriegsautor*innen im englischsprachigen Raum. Er verhilft ihnen damit zu einer internationalen Karriere und Deutschland zu einem positiven Image in der Welt: Deutschland schaut hin. Deutschland arbeitet auf.
In seiner Dankesrede erzählt Ulmer, dass er selbst Hamburger ist. Doch er musste 1938 mit seinen Eltern vor den Nazis fliehen. Trotz dieser Erfahrung äußert er Sympathie für den Gedanken des Schlussstrich-Ziehens. Seine versöhnliche Haltung wird jäh erschüttert, als er im Hotel von einem Kindheitsfreund überrascht wird, der behauptet, Ulmers in Hamburg zurückgebliebene Großmutter sei nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern einfach verschwunden. Diese Nachricht zerstört alle Gewissheiten. Verzweifelt macht Ulmer sich auf die Suche nach dem wahren Schicksal seiner Großmutter. Bei den Behörden rennt er gegen verschlossene Türen, erfährt Desinteresse und Schikane und stellt schließlich fest, dass das schöne Gerede von der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit meist nur ein Lippenbekenntnis ist. Er nimmt die Aufarbeitung in die eigenen Hände und führt uns die Gegenwärtigkeit dieser dunklen Vergangenheit in (Re-)Enactments schmerzlich vor.
Robert Muller, 1925 in Hamburg geboren, setzte sich in Artikeln, Romanen und Drehbüchern mit Fragen nach der eigenen Identität, seiner frühen Heimatvertreibung und seiner Hassliebe zu Hamburg auseinander. „Der Unheimliche“ ist stark autobiografisch geprägt, denn auch Muller erfuhr erst spät, mit 64 Jahren, vom Schicksal seiner jüdischen Großmutter. Er schrieb das Stück 1997 im Auftrag des Hamburger Thalia Theaters. Es kam dort aber nie zur Aufführung. Robert Muller starb 1998 in London. Die WLB bringt sein Stück nun zum ersten Mal auf die Bühne.
Regie: Mirjam Neidhart
Bühne & Kostüme: Marion Eisele
Musik: Moritz Finn Kleffmann
Dramaturgie: Knut Spangenberg
Mit: Samantha Fowler, Lily Frank, Kristin Göpfert, Achim Hall, Gesine Hannemann,
Christian A. Koch, Marcus Michalski, Reyniel Ostermann
Weitere Vorstellungen in Esslingen: 29.9.; 14. 25. 28.10.; 7. 8. 12. 15.12. jeweils um 19:30 Uhr