Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Lulu" von Alban Berg - Städtische Bühnen Münster"Lulu" von Alban Berg - Städtische Bühnen Münster"Lulu" von Alban Berg -...

"Lulu" von Alban Berg - Städtische Bühnen Münster

Premiere: Sonntag, 31. Januar 2010, 18.00 h, Großes Haus

 

Inspiriert vom Paris des Fin de Siècle, schrieb Frank Wedekind zwischen 1892 und 1894 in Paris und London seine fünfaktige 'Monstretragödie' "Lulu". Das neue, unerhörte Thema dieses Stücks, der Anspruch auf Autonomie weiblicher Sexualität, schockierte und verunsicherte das bürgerliche Publikum.

 

Die beiden dramaturgisch entschärften Teildramen "Erdgeist" und "Die Büchse der Pandora" wurden 1898 in Leipzig und 1904 in Nürnberg uraufgeführt. „Erdgeist“ erzählt vom gesellschaftlichen Aufstieg der freizügigen Kindfrau, „Die Büchse der Pandora“ – eine Überarbeitung der letzten beiden Akte der ‚Monstretra-gödie’ – erzählt von Prostitution und Lustmord. In beiden Teilen stiftet Lulu als „Urgestalt des Weibes“ Unheil. Sie lockt, verführt, vergiftet und mordet, „ohne dass es einer spürt“. Dabei wandelt sie durch alle Wunschbilder von Weiblichkeit und entzieht sich allen Kate-gorien: sie ist gleichzeitig femme fatale, Kindfrau, Hure und sinnliche Geliebte.

 

Der Wiener Komponist Alban Berg (1885–1935) sah 1905 die Wiener Erstaufführung von "Die Büchse der Pandora". Nach dem Erfolg des „Wozzeck" konzipierte Alban Berg aus dem aufregenden Stoff Frank Wedekinds seine dreiaktige Oper „Lulu“. Im Mittelpunkt des erotischen Mysteriums steht eine Kindfrau, deren faszinierender Ausstrahlung die Männer reihenweise zum Opfer fallen: Erst trifft den Medizinalrat Goll, Lulus betagten Gatten, der Schlag, als er Lulu erwischt, wie sie einen Kunstmaler verführt. Der Maler heiratet Lulu – die zugleich sein Modell ist, dem er Reichtum und Ruhm verdankt – ohne Kenntnis von ihrer gleichzeitigen Affäre mit dem Journalisten Doktor Schön. Als der Maler von der Affäre erfährt, schneidet er sich die Kehle durch. Todesopfer Nummer Drei ist eben jener Doktor Schön, den Lulu zunächst dazu zwingt, seine Verlobte zu verlassen. Nachdem sie sich mit ihm verbunden hat, sieht er sich von Lulus weiteren Liebhabern umstellt; darunter sind auch sein eigener Sohn Alwa und die Gräfin Geschwitz. Doktor Schön drängt Lulu seinen Revolver auf, damit sie sich selbst töte. Lulu aber erschießt nicht sich, sondern ihn und wird verhaftet. Die Gräfin Geschwitz befreit Lulu aus dem Zuchthaus. Lulu heiratet Alwa und flieht mit diesem und der Gräfin nach Paris. Hier wird sie von einem Mädchenhändler und einem Athleten erpresst. Die Ermordung des Athleten übernimmt die Lulu hörige Grä-fin Geschwitz. Lulu flieht verkleidet nach London und arbeitet als Prostituierte. Der letzte einer Reihe skurriler Freier ist der Lustmörder Jack the Ripper. Der vermeintlich liebenswerte Mann ermordet sie brutal.

 

Für das Libretto seiner Oper zog Alban Berg die insgesamt 7 Akte und 2 Prologe der bei-den „Lulu“-Dramen Wedekinds vom Aufstieg und Niedergang der Titelfigur auf drei Akte und einen Prolog zusammen. 1928 schrieb er das Libretto, danach entstand die Skizze der Vertonung, die er mit Unterbrechungen Ende April 1934 vollendete. Im November wurden in Berlin die fünf „Sinfonischen Stücke“ aus dem Material der Oper von Erich Klei-ber, dem Generalmusikdirektor der Staatsoper, uraufgeführt. Danach begann der Kompo-nist mit der Instrumentierung. Weil die Nationalsozialisten Kleiber kurz darauf zwangen, die Staatsoper zu verlassen, wurde die geplante Uraufführung der „Lulu“ zunächst hinfällig. Schließlich konnte Alban Berg die Oper nicht mehr beenden. Nur die Orchesterpartitur des ersten und zweiten Aktes waren bis Dezember 1935 komplett ausgeführt. Von den gut 1300 Takten des III. Aktes lagen knapp 400 in Bergs Instrumentation vor, die Klavierparti-tur enthielt aber weitgehend Instrumentationsangaben. Die zweiaktige Fassung von „Lulu“ wurde 1937 postum uraufgeführt. Für die Uraufführung der vollständigen dreiaktigen Fas-sung in der Regie von Patrice Chereau und der musikalischen Leitung durch Pierre Boulez an der Pariser Opéra Garnier 1979 ergänzte der Bearbeiter Friedrich Cerha – der seit den 1960ern an der Herstellung eines vollständigen dritten Aktes arbeitete – nur etwa 100 Takte sinngemäß, und komplettierte ansonsten vor allem die Instrumentation.

 

Alban Berg gehörte zu den Schülern Arnold Schönbergs und entwickelte dessen komposi-torische Konzepte weiter. Unter den Einflüssen der Mahlerschen Spätromantik und Schön-bergs freier Atonalität und Zwölftontechnik zählt Alban Berg zur Avantgarde der Musik des 20. Jahrhunderts. Sein Werk zählt heute zur klassischen Moderne und verbindet konstruktive Strenge und persönlichen klangsinnlichen Ausdruck. Er schuf lediglich zwei Musiktheaterwerke. „Wozzeck“, entstanden 1921 nach dem Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner und wurde erst 1925 durch Erich Kleiber an der Berliner Staatsoper uraufgeführt.

 

Der Regisseur Ernö Weil ist seit der Spielzeit 2002/03 Intendant in Regensburg. Der 1947 geborene Münchner studierte Theaterwissenschaft an der Ludwigs-Maximilians-Universität München und Opernregie an der Hochschule für Musik. 1969–71 assistierte Weil bei Regisseuren wie Everding, Ponelle und Verhoeven, bevor er 1971 ins erste Fest-engagement an die Städtischen Bühnen Augsburg ging. Hier gab er 1973 sein Regie-Debüt mit "Lucia di Lammermoor". 1973–77 war Ernö Weil Spielleiter an den Bühnen der Stadt Bielefeld. Parallel waren bis 1986 die Bayreuther Festspiele fester Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit: Er arbeitete als Assistent und Spielleiter bei „Tristan und Isolde" (Regie: Everding) in den Jahren 1974–77 und beim „Fliegenden Holländer" (Regie: Kup-fer) von 1978–86 in Bayreuth. 1977–86 inszenierte Ernö Weil darüber hinaus freischaffend in allen Sparten. 1986 wurde er Oberspielleiter des Musiktheaters am Stadttheater Pforz-heim, von wo aus er 1988 als Intendant an das Landestheater Coburg berufen wurde. 1995 bis 2000 war er Intendant in Pforzheim. Als Regisseur hat Weil insgesamt etwa 100 Inszenierungen in allen Sparten erarbeitet.

 

Libretto von Alban Berg nach Frank Wedekinds „Der Erdgeist“ und „Die Büchse der Pan-dora“, Dritter Akt vollendet von Friedrich Cerha

 

Musikalische Leitung: Fabrizio Ventura

Regie: Ernö Weil

Bühne und Kostüme: Daniel Dvořàk

Dramaturgie: Jens Ponath/ Justus Wenke

 

Mitwirkende:

Judith Gennrich (Theatergarderobiere/ Gymnasiast/ Groom), Henrike Jacob (Lulu), Su-zanne McLeod (Gräfin Geschwitz), Andrea Shin (Maler/ Neger); Olaf Plassa (Dr. Schön/ Jack the Ripper), Donald Rutherford (Schigolch), Wolfgang Schwaninger (Alwa), Johannes Schwärsky (Tierbändiger/ Athlet), Fritz Steinbacher (Prinz/ Kammerdiener/ Marquis), Hee-Sung Yoon (Theaterdirektor/ Bankier)

 

Sinfonieorchester Münster

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 29 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

MIT RASANTEM SCHMISS -- Monrepos Open Air - Abschlusskonzert der Ludwigsburger Schlossfestspiele

Diesmal war nun endlich die lang erwartete mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra zu Gast bei den Schlossfestspielen. Zunächst musizierte das exzellente Orchester des Goethe-Gymnasiums…

Von: ALEXANDER WALTHER

IM BAUCH DES RITTERS -- "Falstaff" von Giuseppe Verdi in der Blauen Halle - Mainfrankentheater Würzburg

In der einfallsreichen Inszenierung von Magdalena Fuchsberger (Bühnenbild und Kostüme: Monika Biegler, Video: Aron Kitzig) befindet sich die Handlung im Bauch des alternden Ritters Falstaff, der von…

Von: ALEXANDER WALTHER

LEIDENSCHAFTLICHE AUSBRÜCHE -- SWR Symphonieorchester mit Eva Ollikainen in der Liederhalle Stuttgart

Das "Märchenpoem" von Sofia Gubaidulina war eine echte Überraschung. Denn die finnische Dirigentin Eva Ollikainen arbeitete mit dem SWR Symphonieorchester die elektrisierend-durchsichtige Klangfläche…

Von: ALEXANDER WALTHER

WANDERER ZWISCHEN DEN WELTEN -- Galeriekonzert der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie in der Staatsgalerie STUTTGART

Unter dem Motto "Wanderer" fand diesmal das Galeriekonzert mit dem begnadeten Bass-Bariton Jochen Kupfer statt, der einfühlsam von Marcelo Amaral am Flügel begleitet wurde. Die Lieder von Franz…

Von: ALEXANDER WALTHER

DEM VOLKSTÜMLICHEN VERBUNDEN -- Zweiter Teil des Tschaikowsky-Zyklus' mit dem Staatsorchester Stuttgart in der Liederhalle/STUTTGART

Das Staatsorchester Stuttgart musizierte unter der elektrisierenden Leitung von Cornelius Meister im zweiten Teil des Tschaikowsky-Zyklus zunächst die selten zu hörende Sinfonie Nr. 2 in c-Moll aus…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑