Die Geschwisterliebe kommt bei Mendelssohn Bartholdys tragischem Quartett op. 80 in f-Moll anlässlich des Todes seiner Schwester Fanny zum Vorschein. Das furiose erste Thema in elektrisierender Tremolo-Bewegung gestaltet das Gropius Quartett mit Friedemann Eichhorn (Violine), Indira Koch (Violine), Alexia Eichhorn (Bratsche) und Wolfgang Emanuel Schmidt (Cello) hier sehr eindringlich. Alle vier Stimmen beschreiben dabei facettenreich eine besondere melodische Struktur. Auch das Klagelied der ersten Violine sticht in ergreifender Weise hervor. Der Nachsatz unterstreicht die Unabänderlichkeit des Schicksals. Das synkopierte Thema des Scherzos gewinnt dank dem rhythmisch scharf gestalteten Ostinato-Bass eine enorme Ausdruckskraft. Und auch der Klagegesang des Adagio geht unter die Haut. Konzentriert herausgearbeitete Motive gewinnen bewegende Klarheit. Und die erste Violine intoniert facettenreich eine neue Kantilene. Das Furioso im Finale reisst den Hörer dann unmittelbar mit. Auch das zweite Thema besitzt starken klanglichen Fluss.
Das Thema der über den Tod hinaustragenden Liebe beherrscht George Alexander Albrechts Streichquartett "Von Angst und Trauer erlöst durch die Liebe", das er 2018 dem Gropius Quartett gewidmet hat. Ein ausdrucksvoller Flageolett-Ton, den man sogleich zu Beginn hört, scheint dieses Quartett zu beherrschen. Pizzicato-Passagen stechen immer wieder charakteristisch hervor und werden vom Gropius Quartett sehr markant verdeutlicht. Hoffnung scheint Angst und Zuversicht zugleich zu verbreiten. Der vierte Agitato-Satz steigert sich zu einem wild-dämonischen Teufelstanz. Dem dritten und vierten Satz liegen die Gedichte "Chaos", "Mein Tanzlied" und "Gebet" von Else Lasker-Schüler zugrunde. Das schier unentwirrbare Motivgeflecht strahlt bei dieser Interpretation immer wieder leuchtkräftig hervor. Im Sinne von Goethes "Das ewig Weibliche zieht uns hinan" endet das Werk. "Eure Aufnahme ist einfach überwältigend. Nur Leidenschaft haut einen um! So, und nicht anders, geht mein Stück", urteilte der Komponist über diese ungewöhnlich intensive Einspielung.
Seelenvolles Spiel überzeugt dann auch bei der Wiedergabe des Streichquartetts in F-Dur op. 96, des so genannten "Amerikanischen Quartetts", von Antonin Dvorak. Die Nähe zur "Sinfonie aus der Neuen Welt" macht sich dabei bemerkbar. Frische und Einprägsamkeit der Themen sind immer wieder deutlich herauszuhören. Melodische und rhythmische Eigenarten stechen präzis hervor. Pentatonik und Synkopen vermischen sich mit den unterschiedlichsten Klangfarben. Die klangvolle Thematik des ersten Satzes zeigt bis zur energisch musizierten Coda eine unbändige formale Kraft und erstaunliche Klarheit. Ein geradezu leidenschaftliches Klangbild überwiegt. Und auch die melancholische d-Moll-Kantilene des zweiten Lento-Satzes zeigt hier bewegenden Impetus. Der gemeinsame Gesang der beiden Violinen in D-Dur überzeugt mit sphärenhaftem Zauber. Und das Cello schwankt zwischen Arco und Pizzicato eindringlich hin und her. Selbst das Tremolo der Bratsche gewinnt starke Kontur. Das Scherzo wirkt sehr folkloristisch, besitzt einen überquellenden musikantischen Charme bis hin zur wirbelnden Tanzszene. Das Rondo-Finale gerät dann mit seinem Wechsel von As-Dur nach F-Dur zum fast schon sinfonisch wirkenden Höhepunkt. Auch die choralartigen Passagen fesseln den Zuhörer.
Von Pablo Casals erklingt noch in einem stimmungsvollen Arrangement des Gropius Quartetts "El cant dels ocells" ("Der Gesang der Vögel") das dieser ursprünglich für Violoncello und Klavier schrieb. Es handelt sich dabei um ein altes Volks- und Weihnachtslied aus Katalonien. Es ist ein ergreifender Appell für Freiheit und Frieden: 32 Vogelarten feiern die Geburt Christi. Obwohl das anders klingt, denkt man sogar an Olivier Messiaen. Das Lied in Moll-Tonart bewegt den Hörer ganz unmittelbar.