Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, setzt er die Maske des Verwirrten auf und vertraut auf die Kraft der Imagination: vor den Augen seiner Mutter und seinem Stiefvater lässt er ein Stück aufführen, in dem ein König ermordet wird und der Mörder die Königin heiratet. Tatsächlich offenbart König Claudius’ Reaktion sogleich seine Schuld, doch vermag ihn Hamlet nicht zu töten. Hamlet spürt, dass das „Geschwür“ dieser dem Untergang geweihten Gesellschaft tiefer in der Vergangenheit liegt und komplexer ist. Doch der Boden unter den Füssen des wahrheitssuchenden Prinzen schwindet, seine Jugendfreunde Rosenkranz und Güldenstern entpuppen sich als Spitzel des Königsmörders, selbst seine Geliebte Ophelia scheint Teil eines Komplotts gegen ihn zu sein.
Wahn mutiert zu Wirklichkeit, Hamlet tötet, in der Annahme, es handle sich um König Claudius, schliesslich den Falschen: Polonius, Ophelias Vater. König Claudius jedoch durchschaut, wie gefährlich der fantasie-begabte Hamlet für ihn ist, und schickt den „Verrückten“ umgehend nach England, um seine Hinrichtung einzufädeln. Ophelia zerbricht am herr-schenden Irrsinn, Hamlet kann seine Hinrichtung abwenden und kehrt ra-chehungrig zurück nach Dänemark. Der bis dahin nahezu handlungsunfähi-ge, sensibel an der Maskerade der Gegenwart Zweifelnde zeigt sich nun als entschlossener Täter. Auf einem Fest im Thronsaal nimmt das Rache-gemetzel einen unvorhergesehenen Lauf.
Hamlets Figur bleibt bis zuletzt widersprüchlich; seine existenziellen Fragen zu Identität und Spiel, Wahrheit und Maskerade bleiben in einer Zeit, die „aus den Fugen“ ist, ungelöst: „Will‘ und Geschick sind stets in Streit befangen. Was wir ersinnen, ist des Zufalls Spiel, nur der Gedank‘ ist unser, nicht das Ziel.“
Mit Shakespeares „Hamlet“ eröffnet Barbara Frey ihre zehnte und letzte Spielzeit als Schauspielhaus- Intendantin. Frey, die damit zum sechsten Mal Shakespeare inszeniert, wird darin der Präsenz des Abwesenden nachgehen, welche gleich zu Beginn des Stücks mit der beunruhigend faszinierenden Erscheinung des untoten Königs Hamlet alles Folgende auslöst.
Zum sechsten Mal beschäftigt sich Barbara Frey mit Shakespeares Werk, dem sie sich unter anderem mit der radikalen Interpretation des „Sturms“ näherte oder zu Beginn ihrer Regielaufbahn mit der musikali-schen Arbeit „I Want To Talk Like Lovers Do“ nach Shakespeares Sonet-ten. Ihre letzte Shakespeare-Inszenierung war „Richard III.“.
Barbara Frey war nach Arbeiten u.a. am Theater Neumarkt, am National-theater Mannheim und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg von 1999 bis 2001 Hausregisseurin an der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, 2005 bis 2008 in gleicher Funktion am Deutschen Theater Berlin. Wiederholt inszenierte sie am Theater Basel, am Bayerischen Staatsschauspiel in München („Onkel Wanja“ wurde 2004 zum Berliner Theatertreffen eingela-den), am Burgtheater Wien und bei den Salzburger Festspielen, sowie an der Bayerischen Staatsoper München sowie der Semperoper Dresden. Am Schauspielhaus Zürich führte sie 2005 bei Ibsens „John Gabriel Borkman“ und 2007 bei Schnitzlers „Reigen“ Regie. Seit der Spielzeit 2009/10 ist Barbara Frey Künstlerische Direktorin, seit 2011/12 Inten-dantin des Schauspielhauses Zürich.
Deutsch von Elisabeth Plessen
Regie Barbara Frey
Bühne Bettina Meyer
Kostüme Esther Geremus
Musik Iñigo Giner Miranda
Licht Rainer Küng
Dramaturgie Andreas Karlaganis
Mit:
Claudius, König von Dänemark / Der Geist von Hamlets Vater Markus Scheumann
Gertrud, Königin von Dänemark Inga Busch
Hamlet, Prinz von Dänemark Jan Bülow
Polonius, Oberkämmerer / Marcellus, Offizier / Totengräber Gottfried Breitfuss
Horatio, Freund von Hamlet / Rosenkranz Edmund Telgenkämper
Laertes, Sohn von Polonius / Güldenstern / Bernardo, Offizier / Reynaldo, ein Diener des Polonius Benito Bause
Ophelia, Tochter von Polonius / Francisco, ein Soldat / Ein Schauspieler / Totengräber Claudius Körber
Live-Musik Iñigo Giner Miranda
Weitere Vorstellungen im Pfauen
17. & 26. September, jeweils 20 Uhr 30. September, 15 Uhr 6./8./17./27./30. Oktober, jeweils 20 Uhr
Weitere Vorstellungen sind in Planung.
Bild William Shakespeare