Gern würde man wer anders sein, und ein Kostümfest bietet die ideale Möglichkeit, einmal eine neue Identität anzunehmen. Aber auch das gehört zu dem ausgeklügelten Plan des Dr. Falke, der titelgebenden Fledermaus, der alle Gäste dazu benutzt, um an seinem Freund Gabriel von Eisenstein Rache wegen eines üblen Streichs zu nehmen. Die Intrige, in der auch ein Weltraumbahnhof eine Rolle spielt, nimmt ihren Lauf.
In seiner Inszenierung für die Deutsche Oper am Rhein hat Axel Köhler den Text modernisiert und auch die Rollenzuschreibungen etwas abgewandelt, denn Kammerzofen gibt es heutzutage nicht mehr, sehr wohl aber Reinigungskräfte, die hier noch Putze genannt werden. Kein Wunder also, dass die studierte Haushaltswissenschaftlerin Adele auf dem Fest gerne als Künstlerin auftritt. Statt per Brief wird sie dazu per SMS eingeladen.
Diese „Fledermaus“ ist nicht in Wien, sondern in Düsseldorf verortet und das passt mit all dem Glitzer und Glamour auch hervorragend. Das Ambiente der von Eisensteichschen Wohnung mit Zebrafellbezügen und Kakteensammlung hat etwas Neureiches. Das Gefängnis ist die Justizanstalt NRW, wobei der Gefängniswärter Frosch aber wie eh und je mit Wiener Schmäh auftritt. Es sind auch nicht mehr die spottenden Straßenjungen, die an der Ehre kratzen, sondern die Bilder in der Presse, die blamieren, den Ruf ruinieren und eine Karriere verhindern. Das muss dann auch Gabriel von Eisenstein selbst erfahren, dem es nicht nur an Feingefühl, sondern auch an der Einsicht mangelt, dass er mit seinem Scherz zu weit gegangen und dass die Freundschaft zu Dr. Falke schon lange keine mehr ist.
Die Ausstattung überbietet sich selbst, da wird geklotzt und nicht gekleckert. Wird in den beiden ersten Akten noch mit Ironie das Geschehen geschildert, gesellt sich in dem verwahrlosten Bürozimmer des Gefängnisdirektors auch leise Melancholie dazu.
Unter der Leitung von Péter Halász musizierten die Düsseldorfer Symphoniker schwungvoll ohne in Süßlichkeit zu geraten. Gesanglich und schauspielerisch überzeugt diese Inszenierung auf ganzer Linie, hervorgehoben seien hier besonders Astrid Kessler als Rosalinde und Sophia Theodorides als Adele. Ganz erklärlich ist es daher nicht, dass der Funke nicht so ganz überspringen und sich nicht überschäumender Applaus einstellen wollte.
„Die Fledermaus“
Komische Operette in drei Akten
Text von Richard Genée nach der Komödie „Le Réveillon“ von Henri Meilhac und Ludovic Halévy in der deutschen Bearbeitung von Karl Haffner
Musikalische Leitung: Péter Halász
Inszenierung: Axel Köhler
Bühne und Kostüme: Frank Philipp Schlößmann
Beleuchtung: Volker Weinhart
Chorleitung: Patrick Francis Chestnut
Choreographie: Mirko Mahr
Dramaturgie: Hella Bartnig
Gabriel von Eisenstein: Jussi Myllys
Rosalinde: Astrid Kessler
Gefängnisdirektor Frank: Stefan Heidemann
Prinz Orlofsky: Sarah Ferede
Alfred: David Fischer
Dr. Falke: Jake Muffett
Dr. Blind: Johannes Preißinger
Adele: Sophia Theodorides
Ida: Anna Sophia Theil
Frosch: Wolfgang Reinbacher
Tänzerin
Chin-A Hwang, Tamara Gigauri-Laryea, Nathalie Gehrmann, Birgit Mühlram, Anna Roura-Maldonado, Anna Pawlowa-Lichtenwald, Chiara Jovy, Sofia Klein-Herrero
Düsseldorfer Symphoniker
23.10.2022–24.02.2023