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Zwischen den Welten -- "Rusalka" von Antonín Dvořák in der Deutschen Oper am Rhein

Premiere am 15. Juni 2025

Kein Wunder, dass Rusalka sich fort wünscht. In Vasily Barkhatovs Inszenierung der Oper "Rusalka" von Antonín Dvořák für die Deutsche Oper am Rhein lebt Rusalka in einem Kloster, das mehr dem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses mit grauen Stahlwänden gleicht als einem religiösem Ausbildungsort. Zum Eintritt als kindliche Novizin werden alle persönlichen Gegenstände und selbstverständlich auch Handys abgenommen. Jeder Neuankömmling wird in einem Brunnen der Kirche getauft, ein prägender Moment in Rusalkas Leben.

 

Copyright: Barbara Aumüller

Kleinste Vergehen werden mit Gewalt gemaßregelt. Im Schlafsaal entwickeln sich aus harmlosen Kissenschlachten bald gewaltsame Ausbrüche, Rusalka wird zum Mobbingopfer. Als Erleichterung und Trost dient ihr statt Ritzen das Kopfeintauchen in Wasserbecken jedweder Art, eine Bewältigungsstrategie, die sie immer wieder anwendet, zudem ein Hinweis des Regisseurs auf das ursprüngliche Wasserwesen. Sonst ist ja nix mit Nixen in dieser Inszenierung. In dieser Welt ist der Wassermann ein strenger orthodoxer Priester und die Hexe Jezibaba eine strenge, furchteinflößende Äbtissin. Die Schwestern sind keine Familienmitglieder, sondern ebenfalls Novizinnen. Inspiriert für das Geschehen im Kloster hat Vasily Barkhatov der Fall um den Priester Sergius, der mit physischer und psychischer Gewalt ein russisches Kloster führte.

Ihre Liebessehnsucht führt Rusalka aus den Klostermauern in eine andere Welt, die Barkhatov als ironischen Kontrast zum Konvent gestaltet hat. Hier trifft sie auf ihren Prinzen, der sich als Biker und Kneipenwirt entpuppt. Zuerst ist er fasziniert von diesem andersartigen Wesen, den Gästen ist sie unheimlich. Rusalka ist sprachlos, kann sich ebenfalls körperlich nicht ausdrücken, sie fühlt sich auch hier fremd, ist auch hier Außenseiterin. Ihre scheinbare Leidenschaftslosigkeit treibt den Prinzen in die Arme der gewandten, feurigen fremden Fürstin. Das "weiße Reh" ist nun sie, seine stehende Redewendung, die der einfallslose Liebhaber bei jeder Geliebten anzuwenden scheint. Rusalka ist enttäuscht, findet sich nicht zurecht in der Welt, möchte zurück in ihr gewohntes Umfeld. Allein der Weg ist ihr versperrt. Sie müsste den Prinzen töten, um nicht als Irrlicht zu enden. Da sie das nicht kann, gehen beide zugrunde.

Von der märchenhaften Geschichte der Rusalka bleibt in Vasily Barkhatovs Version kaum etwas bestehen. Ihm geht es vor allem um die psychologische Deutung der unterschiedlichen Handlungsweisen. Mit der stimmlich grandiosen Sopranistin Nicole Chevalier, die die Rusalka in all ihren Facetten von unbeholfen, plump, ungewandt, unbeholfen, sprachlos, verzweifelt und ratlos bis zu leidenschaftlich überzeugend ausspielt, ist die Rolle überragend besetzt. In ihrem Kleinmädchendress spielt sie ihr Unbehaustsein herzzerreißend. Hervorragend auch Anna Harvey als strenge Äbtissin Jezibaba und Luke Stoker als Wassermann. Auch die drei Nymphen Mara Guseynova, Elisabeth Freyhoff und Katya Semenisty sind stark besetzt Temperamentvoll gibt Sarah Ferede die fremde Fürstin im silbern schimmernden Kleid mit Cowboyhut. Ebenso überzeugt Giorgi Sturua als lässiger, hilfloser, unreflektierter, etwas oberflächlicher Prinz, der sich zum Schluss in einen Alkoholrausch flüchtet. Seine Kneipe mit seinem bunten Publikum bildet einen starken Kontrast zum strengen, trüben Klosterambiente. Hier trifft man sich zum Karneval in bunten Masken (eindrucksvoll Kermit und der Hummer!). Und der Kneipier wird nun tatsächlich zum Prinzen, einem Karnevalsprinzen! Wer noch nicht verkleidet ist, nutzt zum Umziehen das Klo. Die Drehbühne macht eine parallele Handlung möglich. Rätselhaft bleibt die öfter erscheinende Figur des Jägers (Henry Ross), der sich in goldenem Gewand, mit Lichterkranz auf dem Haupt um ein Baby kümmert. Allenfalls kann man ihn als der von Rusalka imaginierte, ersehnte Prinz sehen.

Das Regiekonzept geht in den beiden ersten Akten gut auf, zerfasert aber im dritten. Dennoch ein Lob gebührt der sensiblen Abstimmung zwischen Bewegung und Musik. Besonders eindrucksvoll auch die Momente, in denen der Mond leitmotivisch durch die Harfe repräsentiert wird. Offenbar gefiel nicht jedem Vasily Barkhatovs an der Realität geschulte, psychologisch arbeitende Version, denn die Zuschauerreihen hatten sich nach der Pause sichtbar gelichtet. Die Verbliebenen spendeten am Ende reichlich Applaus für eine musikalisch und gesanglich hervorragende Leistung des gesamten Ensembles, wirklich überragend und hörenswert!

Musikalische Leitung: Harry Ogg
Inszenierung: Vasily Barkhatov
Bühne: Christian Schmidt
Kostüme: Kirsten Dephoff
Licht: Alexander Sivaev
Chorleitung: Patrick Francis Chestnut
Dramaturgie: Juliane Schunke

Der Prinz: Giorgi Sturua
Die fremde Fürstin: Sarah Ferede
Rusalka: Nicole Chevalier
Der Wassermann: Luke Stoker
Jezibaba: Anna Harvey
Heger: Jorge Espino
Der Küchenjunge: Kimberley Boettger-Soller
1. Nymphe: Mara Guseynova
2. Nymphe: Elisabeth Freyhoff
3. Nymphe: Katya Semenisty
Ein Jäger: Henry Ross
Düsseldorfer Symphoniker

 

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