Fragen nach der Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird, verbinden sich dabei mit einer rasanten Erzählweise, die sich zwischen der Ästhetik alter DEFA-Filme und den großen Kino-Hits von Leander Haußmann bewegt. Dazu kommt Thieleckes Regiehandschrift, die den Roman für die Bühne um große Sinnlichkeit und Leichtigkeit erweitert.
Astronauten und Kosmonauten, zwei Wörter, die einen Hinweis geben auf die Vergangenheit eines geteilten Landes. Lukas Rietzschel entscheidet sich für Raumfahrer. Schwerelos, entwurzelt und ohne Verankerung in Zeit und Raum schweben die Figuren seines Romans. Während sie schweben, dreht sich die Welt unter ihnen weiter.
Kamenz, eine Kleinstadt in der Lausitz, schrumpft unbeachtet vor sich hin. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind eingestellt, Supermärkte schließen, Wohnblocks werden abgerissen. Was es noch gibt, ist ein Krankenhaus, der Arbeitsplatz von Jan. Jan ist Altenpfleger und schiebt dort regelmäßig „den Alten“ zum MRT. Eines Tages gibt der ihm einen Karton voller Dokumente.
Der Karton entblättert vor ihm die Geschichte von Familie Kern. Der ältere Sohn, später weltberühmt als bildender Künstler unter dem Namen Georg Baselitz, ist kurz vor dem Mauerbau in den Westen gegangen. Der jüngere Bruder bleibt in Kamenz zurück und wartet Zeit seines Lebens auf Nachricht seines Bruders, auf Hilfe, Perspektive und Zukunft.
Das Zeitlose der Figuren, die Verweigerung des Zeitgemäßen, gibt dabei auch Raum für Skurriles und Utopisches. In den schrumpfenden Städten der Lausitz findet Lukas Rietzschel dabei eine ganz eigensinnige Atmosphäre, die ein Denken, Sehnen und Erzählen möglich macht, die anderswo so nie hätten stattfinden können.
Die Regisseurin, Dramatikerin, Performancekünstlerin, Schauspielerin und Aktivistin Paula Thielecke war mit ihrem jüngsten Stück „Judith Shakespeare – Rape and Revenge" für den Retzhofer Dramapreis 2021 sowie für den Autor*innenwettbewerb des Heidelberger Stückemarkts 2022 nominiert und gewann den Stückewettbewerb der Autor*innentheatertage 2022 am Deutschen Theater in Berlin.
Lukas Rietzschel, geboren 1994 in Räckelwitz, lebt und arbeitet in Görlitz. Er studierte Politikwissenschaft, Germanistik und Kulturmanagement. 2018 erschien sein Debüt-Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“, der aktuell von der Regisseurin Constanze Klaue verfilmt wird.
in einer Fassung von Paula Thielecke
Regie/Fassung Paula Thielecke
Bühne/Kostüm Jan Koslowski
Musik Mika Amsterdam
Video Max Kubitschek
Dramaturgie Franziska Benack, Lisa Mell
Es spielen Torben Appel, Sophie Bock, Sigrun Fischer, Markus Paul.