Die theatrale Baustellenbegehung fand jedoch fast ganz ohne Zäune statt. Gibt es eine individuelle Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit? So lautete die ultimative Frage. Da dachte man sogar an Julian Assange. Der Innenraum des Hauses leuchtete plötzlich geheimnisvoll auf und man vernahm seltsame Geräusche. Eine Frau erlebte den Krieg im Büro als groteske Reality-Show. Die irakische Polizei verhaftete willkürlich Männer. So verlor die Frau den Glauben an alles, sie hatte schon immer alles hinterfragt. Sie war zwar hilflos, beging dann aber doch den größten Datendiebstahl der amerikanischen Geschichte. Dann begann das Haus plötzlich zu "sprechen", immer wieder unterbrochen von rhythmisch fetzigen Musikeinlagen, die es in sich hatten und eine elektrisierende Wirkung verbreiteten. "Können Sie sich erinnern?" skandierte der Chor.
Das Tempo der Inszenierung verlief durchaus atemlos. Da wurde über den "Diebstahl als solcher" nachgedacht. Wann war das Geld Eigentum und wann musste man sich dafür etwas kaufen? "Erleben Sie einen Hund als Eigentum?" so lautete die weitere Frage. Elektrisierender Tanz ging mit den eigenartigen Geräuschen im Haus einher: "Geht's Ihnen gut, Sie schauen so leer aus?" Und immer wieder philosophierten die Darsteller über den Krieg: "Stell' dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin! Ich weiß um das unauslöschliche Schlachtfeld!" Sind radikale Lebenskonzepte kein Ausweg in die Freiheit? Dafür gab es hier keine eindeutige Antwort. Freiheit und Selbstbestimmung gingen aber fließend ineinander über, ergänzten sich. Ist individuelle Freiheit in einer unfreien Gesellschaft möglich? Auch hier "verhandelten" die Protagonisten nicht ohne Ironie und auf Augenhöhe.
"Warum ist es mir so wichtig zu verhandeln?" lautete die weitere Frage. "Weil ich noch was zu erkämpfen hab'!" Und der Chor intonierte: "Einfach frei und ohne Schuld..." Erkundungen des eigenen Körpers folgten: "Ich will gar nichts mehr spüren..." Und: "Ich hab' mir heute verdammt weh getan..." Auch die Täter- und Opfer-Position in Beziehungen wurde ausgeleuchtet. Da dachte man dann darüber nach, "wie viel Gift da so geblieben ist". Und familiäre Beziehungen erhielten eine neue Sichtweise: "Wo war unser Anteil am Desaster?" Natürlich bestand so immer wieder die Gefahr eines Kopftheaters, die aber durch die musikalischen Einlagen weitgehend gebannt wurde. Und es flackerte und leuchtete unheimlich in diesem Haus mit den seltsamen Geräuschen.
"Ich dachte, ich wäre frei, aber eigentlich bin ich doch nur leer", war das Motto dieser seltsamen Baustellenbegehung. So wurde zur Revolution aufgerufen: "Danke, ihr wunderbaren revolutionären Zellen!" Und das Resümee lautete: "Ich wollte immer frei sein..." Ganz im Sinne von Aristoteles. Gibt es Freiheit ohne Selbstbestimmung, Empathie, Toleranz? Was ist reine Freiheit? In diesem Zusammenhang wurde das Recht auf Eigentum hervorgehoben. So unternahm das ChelseaHotelEnsemble den interessanten Versuch, neue Theaterformen zu entwickeln (Chorleitung: Jonathan Springer).