Jenufa liebt den untreuen Steva, von dem sie schwanger ist. Auch sein Stiefbruder Laca liebt Jenufa. Aus Eifersucht entstellt er sie mit dem Messer. Aus Zuneigung will die Küsterin Jenufas Ehre retten und tötet ihr Neugeborenes. Die Frage, ob man ein solches Handeln aus Liebe verzeihen kann, zieht sich durch das gesamte Werk. Das spürte man dann auch bei der überzeugenden konzertanten Aufführung.
Schließlich wird im dritten Akt das tote Kind Jenufas entdeckt. Verdacht und Empörung richten sich zunächst gegen sie und Steva, dann bekennt die Küsterin in einer dramatischen Szene ihre Schuld. Jenufa will Laca freigeben - doch dieser erklärt, sie niemals verlassen zu wollen. Jenufa ist von der Größe seiner Liebe überwältigt.
Diesmal wurde Janaceks "Jenufa" in der Staatsoper Stuttgart allerdings aufgrund eines Streiks der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nur konzertant gegeben. Unter der inspirierenden Leitung von Marko Letonja bot das gesamte Ensemble eine packende Leistung. Das Staatsorchester Stuttgart lotete den künstlerischen Realismus und die zahlreichen folkloristischen Momente facettenreich aus. Die Tonsprache Dvoraks und Smetanas schimmerte immer wieder durch. Sprachrhythmus und Wortseele prägten sich so tief ein. Auch die kleinmotivische Deklamation kam nicht zu kurz.
Esther Dierkes als Jenufa überzeugte mit nie nachlassender Intensität und leidenschaftlichem Überschwang. Eine grandiose Leistung vollbrachte aber auch Rosie Aldridge als Küsterin Buryja im großen Monolog des zweiten Aktes, wobei ihre wild bewegten Kantilenen zuweilen bis zum Zerreissen gespannt waren. Hier standen trotz der konzertanten Aufführung zwei ganz starke Frauen im Zentrum des Geschehens, die man nicht vergessen konnte. Es kam immer wieder zu ungeheuer dichten dynamischen Steigerungen voller elektrisierender Präsenz. Rosie Aldridge machte in fesselnder Weise deutlich, wie in ihrer verletzten Seele allmählich der Mordplan reifte. Man erinnerte sich unmittelbar an den berühmten Angstmonolog aus Mussorgskijs "Boris Godunow".
Den gesteigerten Empfindungsausdruck zeigten aber auch die anderen Sängersarsteller - allen voran die überragende Helene Schneiderman als die Alte Buryja. Hervorragend war außerdem der strahlkräftige Tenor Matthias Klink als Laca, dessen Verzweiflungsausbrüche wirklich unter die Haut gingen. Als eifersüchtiger Steva Buryja imponierte ferner Elmar Gilbertsson. In weiteren Rollen gefielen Shigeo Ishino als der Alte, Andrew Bogard als Richter, Maria Theresa Ullrich als dessen Frau, Lucia Tumminelli als Richterstochter Karolka, Jasmin Hofmann als Schäferin, Itzeli Jauregui als Barena sowie Emilie Kealani als Schäferjunge Jano.
Die "Säuglingsmusik" aus dem Dialog der Küsterin mit Jenufa sowie die geheimnisvoll schlängelnde Melodie am Ende von Jenufas Eröffnungs-Monolog arbeitete der umsichtige Dirigent Marko Letonja mit dem Staatsorchester Stuttgart in überzeugender Weise heraus. Die Worte "O Panno Maria!" ("Oh Jungfrau Maria!") gestaltete Esther Dierkes ausgesprochen berührend. Jenufas geheime Sorge, die ihr keine Ruhe gönnte, kam in der Musik wiederholt in eindringlicher Weise zum Ausdruck. Der ständig wiederkehrende Xylophon-Klang im ersten Akt wirkte irisierend. Der erste und letzte Akt mit ihren vielen Nebenrollen und Chören überzeugten bei dieser Auffürung trotz des fehlenden Bühnenbildes aufgrund seiner dramaturgischen Dichte.
Mit innerem Feuer und vokaler Wucht agierte hier der von Bernhard Moncado sorgfältig einstudierte Staatsopernchor Stuttgart. Der seelische Druck der vier Hauptpersonen kam im Mittelakt in großartiger Weise zum Vorschein. Rosie Aldridge gewann jedoch auch den lyrischen Stellen des Solos "Schau sie auch an" berührende Intensität ab. Zur Geigenfigur ging sie erregt im Zimmer auf und ab. Flackernde Triller und blitzendes Kolorit der Deklamation gewannen diesem hochdramatischen Pathos der Küsterin zusätzliche faszinierende Facetten ab.
Der große Höhepunkt in C-Dur gegen Ende der Oper mit seinem von Harfenarpeggien begleiteten Akkord besaß eine enorme klangliche Strahlkraft. Der bis dahin dissonante Orgelpunkt erschöpfte sich auf C und sank nuancenreich herab zum B. Der Druck ließ bei dieser Interpretation merklich nach, der Bass endete auf der Dominante. Das vernahm man ganz deutlich. Janacek hat den Tod seiner Tochter Olga ja in diesem Werk eindrucksvoll verarbeitet.
Am Ende Jubel für alle Beteiligten.