Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"In the Penal Colony" (In der Strafkolonie), Kammeroper von Philip Glass, Theater Ulm"In the Penal Colony" (In der Strafkolonie), Kammeroper von Philip Glass,..."In the Penal Colony"...

"In the Penal Colony" (In der Strafkolonie), Kammeroper von Philip Glass, Theater Ulm

Premiere am Freitag, den 8. November 2019 um 19.30 Uhr im Podium

Die Opern von Philip Glass sorgen seit den späten 1970er-Jahren international für Furore, trotzdem oder gerade weil sie das Musiktheater des späten 20. Jahrhunderts geradezu revolutionieren: Zeitstrukturen scheinen allein durch die dramaturgische Konzeption in Auflösung begriffen und auch Glass' Musiksprache fällt durch ihre Unangepasstheit auf – sie ist nämlich unerhört tonal.

Copyright: Martin Kaufhold

Sich schleichend verändernde Dur- und Moll-Dreiklänge, klar umrissene thematische Strukturen, die sich unmerklich verwandeln, meditative Klangflächen und Bewegungen, all das macht bis heute den Zauber und die Popularität von Glass' Kompositionen aus. Berührungsängste kennt der Komponist nicht. Er schreibt für die Opernbühne, den Konzertsaal, für Hollywood oder auch mal fürs Werbefernsehen.

Im Jahr 2000 legte Glass seine Kammeroper »In the Penal Colony« (In der Strafkolonie) nach der Erzählung von Franz Kafka vor. Wer die Episode des namenlosen Reisenden, der in einer Strafkolonie Zeuge einer bizarren wie schockierenden Hinrichtungsmethode wird, einmal gelesen hat, dem wird sie so schnell nicht aus dem Kopf gehen: Eine angeblich perfekte Tötungsmaschine soll eine überaus »menschliche«, aber gerechte und schmerzhafte Hinrichtung garantieren. Den ahnungslosen Verurteilten wird ihre Strafe mit Nadeln in den Körper eingeschrieben bis der Tod eintritt. Die »Strafkolonie« trifft noch heute, weit über 100 Jahre nach ihrer Entstehung mitten ins Bewusstsein, wirft Fragen auf und konfrontiert den Leser mit menschlichen Abgründen – kalt lässt sie keinen.

Glass' Kammeroper für zwei Sänger - Maria Rosendorfsky und Martin Gäbler - und zwei stumme Darsteller - Jochen Schreiber und Elias Hörz - orientiert sich weitgehend am Handlungsablauf von Kafkas Erzählung. Die Besonderheit ist aber die klangliche Umsetzung: Philip Glass vollzieht den szenischen Schrecken nicht in brutalen Klängen nach, sondern kontrastiert das Geschehen mit einer für Glass typischen meditativen Schlichtheit. Ein Streichquintett bestehend aus Musikerinnen und Musikern des Philharmonischen Orchesters der Stadt Ulm strukturiert unter der musikalischen Leitung von Hendrik Haas mit sanft fließenden, aber auch unerbittlich flirrenden, immer tonalen Akkordfolgen den Ablauf. Eine nahezu friedliche Atmosphäre, die auch überraschend viel von der Distanziertheit des kafkaschen Textes hat – zarte, stille Schönheit im Angesicht des Todes.

Ab dem 8. November kann man sich im Podium des Theaters Ulm ihr eigens Bild von Glass' und Kafkas »Strafkolonie«, gesungen in deutscher Sprache, machen. In der Inszenierung von Sarah Kohrs und der Ausstattung von Monika Gora wird deutlich, dass das Werk an Relevanz nichts verloren hat, schon gar nicht in einer Welt, in der Gewalt und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erschreckend alltäglich geworden sind.

Musikalische Leitung Hendrik Haas
Musikalische Leitung Michael Weiger (14.12.2019, 28.12.2019)
Inszenierung Sarah Kohrs
Ausstattung Monika Gora
Dramaturg Benjamin Künzel
Regieassistenz & Abendspielleitung Andreea Geletu

Mit
Martin Gäbler (Der Offizier) Maria Rosendorfsky (Der Besucher)
Zusätzliche Rollen
Jochen Schreiber (Der Soldat)
Elias Hörz (Der Gefangene)
Ein Streichquintett des Philharmonischen Orchesters der Stadt Ulm

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 15 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

PLÖTZLICH GIBT ES ZWEI KOBOLDE -- "Meister Eder und sein Pumuckl" mit der Jungen Württembergischen Landesbühne Esslingen in der Kelter Bietigheim

"Niemand muss an Kobolde glauben". Davon ist Meister Eder überzeugt. Julian Häuser und Philip Spreen schlüpfen virtuos in unterschiedliche Rollen. In der Bühnenfassung und Regie von Jan Müller (Bühne…

Von: ALEXANDER WALTHER

SONGS IN UNGEWÖHNLICHEM ARRANGEMENT -- Orchesterkonzert Jewish Pop im Schauspielhaus STUTTGART

In den vergangenen Jahren war "Jewish Jazz" der Schwerpunkt. Nun erkundet das 2005 gegründete Jewish Chamber Orchestra Munich unter der einfühlsamen Leitung von Daniel Grossmann die Popmusikgeschichte…

Von: ALEXANDER WALTHER

UNHEIMLICHE VERWANDLUNGEN -- "Der Untergang des Hauses Usher" mit dem Studiengang Figurentheater der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart im Wilhelma Theater Stuttgart

Sehr viele technische Tricks und faszinierende Einfälle besitzt diese gelungene Produktion des Studiengangs Figurentheater. In der suggestiven Regie von Stephanie Rinke können sich die gespenstischen…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUS DEM DUNKEL INS LICHT -- Neue CD: Die Würth Philharmoniker und Thomas Hampson (Bariton) bei hänssler Classic

Das dritte Album der Würth Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Claudio Vandelli präsentiert den berühmten US-amerikanischen Bariton Thomas Hampson. Die Würth Philharmoniker, die auf…

Von: ALEXANDER WALTHER

NORDISCHE KLANGFARBEN -- Neue CD "Northern Colours" mit Felix Klieser (Horn) bei Berlin Classics erschienen

Im Zentrum des neuen Albums von Felix Klieser (Horn) steht das inspirierende Werk "Soundscape - A Walk in Colours" op. 118 von Rolf Martinsson, der 1956 in Schweden geboren wurde. Der Komponist hat…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche