Regisseur Johannes Erath will kein „Doku-Drama“ auf die Bühne hieven. Ihn interessiert es, hinter die realen Vorgänge zu blicken, in die Seelen der Menschen, denn auch hier klaffen Abgründe… So wird der Berg zu einer Metapher und das „Bezwingen“ desselben zu einem Bild für das Abarbeiten an den eigenen höchsten Herausforderungen: der Überwindung innerer Zwänge, Schwächen oder Suchtpotentiale.
Das Bergsteigen, das nach immer weiteren Herausforderungen verlangt, nach einem immer stärkeren Kick, zeigt so alle Anzeichen einer Sucht, und hält wie nebenbei einen ganzen Geschäftszweig am Laufen. 65 000 Dollar bezahlte Beck Weathers 1996 seinem Bergführer Rob Hall, um auf das „Dach der Welt“ zu gelangen, gekostet hätte es ihn beinahe das Leben. Die Todesnähe und schließlich die Entscheidung, der Hoffnungslosigkeit entgegenzutreten, markierten in vielerlei Hinsicht eine Kehrtwende im Leben von Weathers. Doug Hansen dagegen erliegt den Herausforderungen. Für Rob Hall spitzt sich die Lage auf dem Gipfel zu und spiegelt jene Ausnahmesituation, in der er sich als werdender Vater befindet.
Die recht realistische Handlung der Oper erweitert Erath in eine zeitenübergreifende Atmosphäre. Er assoziiert den Everest als „Zauberberg“ und rückt das Gesellschafts-panoptikum in ein Ambiente wie bei Thomas Mann.
Die Moribunden des Romans, die in den Gefilden der Schweizer Alpen ihr Leiden zu ihrem Lebensinhalt machen, haben mit den todgeweihten Bergsteigern einiges gemeinsam: Es ist eine Art Sucht, die sie nicht mehr loslässt und in der Abgeschiedenheit festhält, eine Flucht vor dem Leben, eine Flucht vor der Realität. Für alle ist die Verlockung groß, ein Leben lang zu bleiben, wo Zeit keine Rolle mehr spielt, nur die Atemzüge gezählt werden, die Atemzüge aber auch gezählt sind... Die Zeit ist aus den Angeln gehoben, und wie könnte man das besser ausdrücken als mit Musik. Die Oper vermag, die Zeit scheinbar anzuhalten: ein Atemzug wird zu einer Arie, ein Gedankenblitz zur Traumsequenz einer ganzen Szene. Die Musik gibt den Pulsschlag vor, verlangsamt oder beschleunigt ihn. Der Abend verspricht eine spannende Reise in die Innenwelten der Protagonisten zu werden: in euphorische Höhen und tiefe Abgründe, die dem Publikum mitunter eisige Schauer über den Rücken laufen lassen.
TEXT VON GENE SCHEER
In englischer Sprache mit deutschen Übertexten
In der Inszenierung von Johannes Erath, dem Bühnen- und Kostümbild von Kaspar Glarner, ergänzt von Videoprojektionen von Bibi Abel, singen und spielen unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Joseph Trafton: Pauline Engelhaupt, Veronika Haller, Sebastian Joest, Kenneth Mattice, Morgan Moody, Wolfgang Niggel, Musa Nkuna, Elizabeth Pilon; Chor des Theaters Hagen, Philharmonisches Orchester Hagen.
Gefördert im Rahmen von Fonds Neues Musiktheater 2018 NRW Kultursekretariat Wuppertal.
Weitere Vorstellungen: 18.5.; 1.6., 8.6., 21.6., 27.6.; 1.7. (15 Uhr) 2018 – jeweils 19.30 Uhr, soweit nicht anders angegeben
Karten an der Theaterkasse, unter Tel. 02331-207-3218 oder www.theaterhagen.de, an allen Hagener Bürgerämtern, Tel. 02331 207- 5777 sowie bei den EVENTIM-Vorverkaufsstellen.
Der Komponist Joby Talbot wird bei der Premiere anwesend sein und davor im Rahmen der Einführungsveranstaltung Einblicke in seine Arbeit geben: 5.5.2018, 18.30 Uhr, Theatercafé (Eintritt frei).