Eine filigrane Konstruktion aus straff gespannten Fäden beherrscht die Bühne. Dahinter verbirgt sich wie eine Spinne im Netz der Kaiser von Atlantis, namens Overall. Trotz güldenem Gesicht erinnert seine Kleidung mit schwarzem Hemd und schwarzen Breeches an die Uniformen der Streit- und Sicherheitskräfte faschistischer Regimes, auch seine Gestik deutet darauf hin und sein mediale Präsenz via Video. Der Lautsprecher agiert mit starren, eckigen Gesten und verkündet nur, was der Herrscher ihm vorgibt; er ist wie eine Marionette am Faden.
Ihm folgen sprachlose Gestalten. Auch der Trommler, eine Mutter mit Kugelbauch ist regimetreu. Das Fadenmotiv wird weitergesponnen: mit einem Faden sind eingangs der Harlekin, der das Leben symbolisiert, und der Tod, beide etwas abgehalftert, aneinandergebunden. Dann verkündet der grausame Kaiser den Krieg aller gegen alle, hier nicht ganz so exaltiert wie Goebbels vor 80 Jahren den totalen Krieg im Berliner Sportpalast am 18.3.1943 einforderte. Der Tod, der sich nicht zum Handlanger machen lassen will, verweigert sich dem Unrechtssystem und stellt seine Arbeit ein. Die Fäden fallen zusammen. Soldaten können zwar verwundet werden, können aber nicht sterben, Exekutionen sind wirkungslos. Ein Soldatenmädchen und ein Soldat stellen ihren Nahkampf ein, verlieben sich, verweigern sich der Aufforderung des Trommlers, den Kampf weiterzuführen. Erst als der Kaiser sich bereit erklärt, selbst dem Tod zu folgen, nimmt dieser seine Tätigkeit wieder auf. Der Krieg ist aus, aber nur dieser Krieg ist aus. Ein pessimistischer Schluss? Ein realistischer Schluss!
Die vielfältigen Hinweise auf die Naziideologie hält Illaria Lanzino so dezent, dass die Allgemeingültigkeit der Parabel gewahrt bleibt. Ausstattung, Kostüme und Inhalt der Oper sind harmonisch aufeinander abgestimmt und wie aus einem Guss. Angesichts der Thematik und angesichts der traurigen Schicksale Ullmanns und Kiens verbietet es sich eigentlich von Genuss zu sprechen, dennoch ist das in dieser Inszenierung der Fall. Bildmächtig in der Ausstattung von Emine Güner und überzeugend interpretiert, klug besetzt, nicht nur musikalisch und gesanglich, sondern auch schauspielerisch hervorragend umgesetzt. Berührend die beiden Liebenden Sergej Khomov und Anke Krabbe, Hoffnung und Liebe verkörpernd; zackig cool Thorsten Grümbel als der Lautsprecher mit metallisch klarer Stimme; Julia Rutigliano als taffer Trommler; großartig Luke Stoker als der Tod und David Fischer als Harlekin, das voneinander abhängige Gegensatzpaar von Leben und Tod.
Zu wünschen bliebe, dass diese Inszenierung der Oper "Der Kaiser von Atlantis" mehr Zuschauer finden würde. Diese grandiose Inszenierung hätte es verdient, von einem breiteren Publikum wahrgenommen zu werden, auch wenn sie sich mit dunklen Themen, die leider zurzeit wieder aktueller denn je sind, auseinandersetzt. Das anwesende Publikum jedenfalls würdigte sie verdientermaßen mit anhaltendem, regen Beifall.
Aus dem Programmheft:
"Die Fäden des kaiserlichen Unrechtssystems, straff gehalten durch die schweigende Duldung der breiten Masse, verlieren in jenem Moment an Spannung, als der Tod seinen Einspruch gegen die herrschenden Verhältnisse erhebt. Je wahrnehmbarer die einst starre Macht¬architektur erschlafft, desto unaufhaltsamer erobern sich neue Impulse den freigewordenen Raum: Hoffnung und Liebe."
Musikalische Leitung: Christoph Stöcker
Inszenierung: Ilaria Lanzino
Ausstattung: Emine Güner
Licht: Thomas Diek
Dramaturgie: Anna Grundmeier
Overall, Kaiser von Atlantis: Emmett O'Hanlon
Der Lautsprecher: Thorsten Grümbel
Der Tod: Luke Stoker
Harlekin: David Fischer
Ein Soldat: Sergej Khomov
Ein Mädchen: Anke Krabbe
Trommler: Julia Rutigliano
Düsseldorfer Symphoniker