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VOM KATHOLIZISMUS GEPRÄGT - Dresdner Barock mit der Gaechinger Cantorey im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle

am 28.1.2024 im Beethovensaal

Internationale Bachakademie: Werke von Heinichen und Zelenka. -- Selten zu hörende Werke konnte man beim "Dresdner Barock"-Konzert der Gaechinger Cantorey kennenlernen.

Copyright: Holger Schneider

Unter der einfühlsamen Leitung von Hans-Christoph Rademann erklang zunächst die Missa Nr. 9 in D von Johann David Heinichen. Im ersten Kyrie kam es sogleich zu einer fulminanten dynamischen Steigerung. Violinen, Oboen, Hörner und Trompeten traten nach und nach hinzu und unterstützten in imposanter Weise den homophon einsetzenden Chor. Die kontrapunktischen Satzkünste wurden hier wirkungsvoll beleuchtet. Das zweite Kyrie beeindruckte als überaus virtuose und abwechslungsreiche Fuge. Die Gesangssolisten Elisabeth Breuer (Sopran I), Elvira Bill (Alt), Georg Poplutz (Tenor) und Jonas Müller (Bass) leuchteten das kompositorische Gewebe facettenreich aus. Dies galt nicht nur für das "Qui tollis peccata mundi" im Gloria, wo sich Sopran und Bass wirkungsvoll ergänzten, sondern vor allem auch für den ergreifend schlichten Chorsatz "Et incarnatus est" im Credo. Das Crucifixus beeindruckte dann als innige Bass-Arie, die die Grablegung Christi chromatisch eindringlich beschrieb. Streicher, Flöten und Oboen begleiteten fast sphärenhaft unisono das Benedictus - und die Violen schritten darunter in regelmäßigen Achteln. Und die leuchtkräftige Sopranstimme verkündete den Messias ausdrucksstark. Das Prinzip der "Missa Concertata" machte sich auch im Anschluss an das Gloria als Concertino bemerkbar, wo die Flöte virtuos agierte.  

In ganz andere Gefilde entführte das Miserere in c ZWV 57 von Jan Dismas Zelenka, das mit den Worten "Miserere mei, Deus" ("Erbarme dich meiner, o Gott") eher die römisch-katholische Welt beschwor. Ein einfaches, aus fünf Tönen bestehendes Motiv behauptete sich geheimnisvoll in allen Stimmen. In Nummer 2 tauchte es als Ostinato auf. Elisabeth Breuer (Sopran) zeichnete ihre Partie mit Kaskaden und Girlanden aus, die die Vielfalt der stilistischen Mittel erahnen ließen. Der Kontrapunkt nach dem Vorbild von Ricercaren Girolamo Frescobaldis blitzte ebenso auf wie die Elemente der Opernmusik. Die Instrumente zitterten - und dynamische Kontraste schufen ein eindrucksvolles Klangbild.

Bei Zelenkas Te Deum in D a due cori ZWV 146 betonte Hans-Christoph Rademann die Nähe des Komponisten zur katholischen Kirchenmusik noch stärker. Und die gut aufeinander abgestimmten Gesangssolisten Elisabeth Breuer (Sopran I), Anja Scherg (Sopran II), Elvira Bill (Alt), Georg Poplutz (Tenor) und Jonas Müller (Bass) unterstrichen  den feierlichen Charakter dieser Musik durchaus glutvoll. Der Leib Christi erscheint hier in Form einer Hostie - und die Männerstimmen des Chores beschworen einstimmig die Melodie des Te Deum. Die Doppelfuge mit verschiedenen Themen beendete dieses Werk überaus glanzvoll. Die Passage "Salvum fac populum tuum, Domine..." ließ Jan Dismas Zelenka einmal mehr als "katholischen Bach" erscheinen, denn diese Sequenz erinnerte stark an einen Gregorianischen Choral. Auch der Kanon verschiedener Stimmen fiel ins Gewicht.

Der Nachfolger Augusts des Starken, Kurprinz Friedrich August II., sorgte mit seiner Frau Maria Josepha aufgrund seines Kunstsinns für eine Blütezeit des "Dresdner Barock", an die die Gaechinger Cantorey glanzvoll erinnerte. Begeisterung und "Bravo"-Rufe im Beethovensaal.
 

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