Wenig später reißt Amal durch einen Selbstmordanschlag in einem Restaurant in Israel dreißig Menschen mit in den Tod. Wer trägt nun die Schuld? Yael, die Amal ohne Passierschein die Grenze überqueren ließ? Der Taxifahrer, der Amal ins Restaurant brachte, obwohl sie auch ihm keine Legitimation vorlegen konnte? Oder ist es die Situation von Amals Familie, die ihr Haus in Haifa verlassen musste und in einem palästinensischen Flüchtlingslager lebt? Dort wurde Amal geboren. Hier spielen schon die Kinder »Terroristen« und »Soldaten«.
Amal ist Krankenschwester geworden, um den Menschen zu helfen. Ihr Bruder dagegen hat sich radikalisiert und gehört einer palästinensischen Terrorgruppe an. Er wird vom israelischen Geheimdienst getötet und seine ganze Familie unter Generalverdacht gestellt. Deshalb gibt es für Amal und ihren schwerkranken Vater keine Passierscheine und damit auch keine Chance auf eine adäquate medizinische Versorgung für den alten Mann. Ist es die Verbitterung über die ausweglose Situation, die Amal zu ihrer verzweifelten Tat getrieben hat?
In zahlreichen Rück- und Vorblenden untersuchen die Figuren in Maya Arad Yasurs Drama »Gott wartet an der Haltestelle« die Gründe für das Selbstmordattentat und machen anhand von ganz persönlichen Schicksalen den Nahostkonflikt, für den es seit rund 100 Jahren keine Lösung zu geben scheint, erfahrbar. Was macht eine Atmosphäre permanenter Angst mit einer Gesellschaft? Wie leben die Israelis mit ihrer Furcht vor Anschlägen? Wie verzweifelt sehnen sich die Palästinenser in ihre Häuser zurück? Der Text fragt, wo in der Kette der Ereignisse Augenblicke gewesen wären, in denen die Katastrophe noch hätte abgewendet werden können. Es gibt keine Einteilung der Menschen in Opfer und Täter. Beide Seiten kommen gleichberechtigt zu Wort; es geht nicht um Schuld, sondern um den Versuch, die Formel des Hasses zu entschlüsseln.
Gleichzeitig macht das Stück ästhetisch wie historisch einen wesentlich weiteren Raum auf, der bis in die Antike zurückreicht. Der Nahostkonflikt ist ein Exempel, um sich einer Gesellschaft zu nähern, die in einem fatalen Kreislauf von Gewalt feststeckt. In der Gefühle wie Angst, Schmerz und Hass regieren und starken Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen.
Die in Tel Aviv lebende jüdische Autorin Maya Arad Yasur (* 1976) schrieb »Gott wartet an der Haltestelle« 2014 im Rahmen des TERRORismus-Projekts der Union des Théâtres de l’Europe.
Nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 hat Maya Arad Yasur einen aktuellen Kommentar geschrieben, auch um nach dem Schock, den dieser Terroranschlag in Israel ausgelöst hat, ihre Gedanken zu sortieren und zu ihrer Sprache zurückzufinden: »Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten«. Dieser Text wird in enger Absprache zwischen Autorin und Inszenierungsteam in die Heilbronner Inszenierung von »Gott wartet an der Haltestelle« eingewoben.
Deutsch von Matthias Naumann
Unter Einbeziehung von Maya Arad Yasurs neuem Stück
»Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten«
Regie und Bühne: Hans-Ulrich Becker
Kostüme: Kirsten Dephoff
Musik, Choreinstudierung: Viola Kramer
Video: Nikolai Stiefvater
Dramaturgie: Dr. Mirjam Meuser
Es spielen: Sarah Finkel (Amal); Sabine Unger (Nabila, Amals Mutter); Stefan Eichberg (Thaiser, Amals Vater/Chemi, Mitarbeiter des Shabak); Arlen Konietz (Fares, Amals Bruder); Regina Speiseder (Yael, Soldatin/Nasrin, Kindheitsfreundin von Amal); Oliver Firit (Dr. Abu Khaled/Leutnant Yaniv, Offizier); Sven-Marcel Voss (Jamal, Taxifahrer/Zachi, Soldat); Leonie Berner (Saraya, Jamals Frau/Kellnerin)
Termine
- Di 23.01.2024 19:30 Uhr
- Di 30.01.2024 19:30 Uhr
- Fr 02.02.2024 19:30 Uhr
- Di 06.02.2024 19:30 Uhr
- Sa 10.02.2024 19:30 Uhr
- Mo 19.02.2024 19:30 Uhr
- So 03.03.2024 15:00 Uhr
- Mi 20.03.2024 19:30 Uhr
- So 24.03.2024 18:00 Uhr
- Do 28.03.2024 19:30 Uhr
- Sa 30.03.2024 19:30 Uhr
- Do 04.04.2024 19:30 Uhr
- Do 11.04.2024 19:30 Uhr
- Fr 19.04.2024 19:30 Uhr
- Sa 04.05.2024 19:30 Uhr