Der australische Komponist, Produzent, Sound Artist und Regisseur Ben Frost nimmt in seiner Oper den NSU-Mord an Halit Yozgat und den gesellschaftlichen Umgang mit dessen Folgen zum Anlass für eine Betrachtung unseres kulturellen Wertesystems. In diesem Auftragswerk der Staatsoper in spartenübergreifender Zusammenarbeit mit dem Schauspiel werden Fragen nach nichts weniger als unser aller geschichtlicher Verantwortung gestellt. Gibt es Gerechtigkeit, wenn die Wahrheit immer wieder neu konstruiert wird?
Die Oper nimmt Bezug auf Untersuchungen der unabhängigen Forschungsgruppe Forensic Architecture. In einer Gegenrecherche zu den offiziellen Ermittlungen des Mordes an Halit Yozgat wurden sämtliche verfügbaren Informationen, präzise wie in einem wissenschaftlichen Experiment, zusammengestellt: das nachgebaute Internet-Café als Tatort, Aussagen von Zeug:innen, Bilder, Geräusche, Videos, Login-Daten. Die sekundengenau rekonstruierten Raum-Zeit-Abfolgen der sieben Zeug:innen lassen verschiedene Ereignisvarianten zu. Das beantwortet nicht nur Fragen, sondern wirft vor allem neue auf. Was genau ist geschehen? Und welche Konsequenzen haben Zweifel an unserem Umgang mit gesellschaftlichen Werten wie Gerechtigkeit, Schuldfragen und Verantwortung?
Die Uraufführung, die Opern- und Schauspielensemble zusammenbringt und auch den Klangapparat aus Mitgliedern des Niedersächsischen Staatsorchesters zum Teil des theatralischen Raums werden lässt, sollte bereits im März 2020 stattfinden. Doch kurz vor der geplanten Premiere musste die Arbeit an der Inszenierung Corona-bedingt abgebrochen werden. Diese für alle Beteiligten überaus schwierige Phase des Probenprozesses wurde selbst zum künstlerischen Dokument: Der Film Der Mordfall Halit Yozgat. Eine Oper unter Quarantäne von Ben Frost und Trevor Tweeten lief seither bereits bei den KunstFestSpielen Herrenhausen und online beim Holland Festival, beim Prototype Festival in New York und beim Unsound Festival in Poznań.
Musik Ben Frost mit Petter Ekman
Inszenierung Ben Frost
Musikalische Leitung Florian Groß
Choreografie Sasha Milavic Davies
Bühne Lisa Däßler / Mirella Weingarten
Kostüme Lisa Däßler / Kerstin Krüger
Licht Elana Siberski
Dramaturgie Yvonne Gebauer
Libretto Daniela Danz
Mit Céline Akcag, Tahnee Niboro, Gudrun Pelker, Mathias Max Herrmann, Yannick Spanier, Richard Walshe, Sascha Zarrabi
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Weitere Vorstellungen: Mi 04.05., 19:30 Uhr & So 08.05., 18:30 Uhr