«Soliman II. oder die drei Sultaninnen»
Komische Oper in einem Akt von Joseph Martin Kraus
Text von Johan Gabriel Graf Oxenstierna, nach dem gleichnamigen Libretto von Charles Favart
Uraufführung: 1789
«Zaide»
Singspielfragment in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Johann Andreas Schachtner
Komponiert: 1780
Dialoge von Christian Kipper (2006)
Das Luzerner Theater sieht die Zusammenhänge dieser zwei Opernfragmente in folgenden Punkten:
1) W. A. Mozart (1756 – 1791) und J. M. Kraus (1756 – 1792) liessen sich fast als «Zwillinge» der Musikgeschichte beschreiben: Ihr Geburtsjahr ist identisch, und dem Tod erlagen beide früh im Abstand eines knappen Jahres. Während Kraus, aus Miltenberg stammend, bald nach Stockholm übersiedelte und dort bei Hofe Karriere machte, versuchte Mozart sein Glück in Wien.
2) Beide Komponisten schrieben Werke für eine damals neue Gattung: das aus gesprochenen Dialogen und gesungenen Musiknummern bestehende Singspiel in Landessprache. Mozart schrieb für Österreich, Kraus für Schweden.
3) Beide Komponisten suchten sich für diese Gattung ein «Türkensujet» aus: Der Orient stand im 18. Jahrhundert hoch im Kurs, liessen sich doch an der Gegenüberstellung unterschiedlicher Zivilisationen vortrefflich menschliche Verhaltensmuster studieren. Das Libretto zu «Soliman II. oder die drei Sultaninnen» von Charles Favart etwa, das Joseph Martin Kraus in einer neuen Version von Johan Gabriel Graf Oxenstierna als schwedische Opéra-comique vertonte, erzählt von einer selbstbewussten Französin, die nicht nur ein ganzes Serail aufmischt, sondern auch den befehlsgewohnten Sultan um ihren schönen Finger wickelt. Johann Andreas Schachtner wiederum, der Autor des Fragment gebliebenen Singspiels «Zaide» von Wolfgang Amadeus Mozart, setzt Soliman dem Konflikt zwischen Vernunft und Gefühl aus: Er hat seine Favoritin Zaide lange vergeblich umworben, doch dann überrascht er sie auf der Flucht mit einem Sklaven …
Die Luzerner Inszenierung nutzt die Ähnlichkeiten des Sujets sowie der dramatis personae, um beide Geschichten, die komische und die tragische, zu einem neuen Ganzen zu verbinden. Der individuelle Konflikt zwischen Soliman und Zaide findet seinen Widerpart in der Konfrontation zwischen Soliman und Roxelane und deren allgemein gehaltener Diskussion über das Spannungsverhältnis zwischen Orient und Okzident. Die in Mozarts «Zaide» angelegte, unerwiderte Liebe Solimans tritt in der Luzerner Produktion zurück zugunsten der Angst des Sultans vor einer Auflösung seiner Lebensverhältnisse durch die Fremden. Die Europäer wiederum pochen auf die Errungenschaften der Aufklärung. Die Produktion knüpft an die heute zirkulierenden Feindbilder auf beiden Seiten an, greift aber auch das Orientbild des 18. Jahrhunderts auf: So wie sich das Publikum damals nicht für das authentische Morgenland interessierte sondern die fremde Kultur nur als Vorwand für Verkleidung, Erotik und Selbstbespiegelung nutzte, so geht auch die Luzerner Produktion mit dem Orient spielerisch um: Klischees werden liebevoll durchdekliniert, Märchenhaftes scheint auf, die Geschichte tut manchmal nur so als ob – und lässt gerade dadurch Bezüge zu aktuellen Denkweisen zu. Dieser spielerische Umgang mit dem Sujet spiegelt sich auch in der Verbindung möglichst unterschiedlicher Elemente: So wirken bei dieser Opernproduktion Balletttänzer und Schauspieler ebenso mit wie zwei türkische Musiker mit ihren traditionellen Instrumenten.
Im Mozart-Jahr 2006 werden auch die Schwetzinger Festspiele und die Württembergische Staatsoper Stuttgart Werke von Joseph Martin Kraus zur Aufführung bringen.