Strauss' Operette aus dem Jahre 1883 stand bei ihrer Uraufführung in Berlin unter keinem guten Stern, vermochte jedoch nach einer Umarbeitung binnen Wochenfrist in Wien und von dort ausstrahlend fortgesetzt zu reüssieren. Ihr Erfolg basiert nicht nur auf dem erprobten Schmelz der Musik des «Wiener Walzerkönigs», sondern massgeblich auch auf dem erotischen Knistern des Plots.
Die sinnlich aufgeladene Handlung rankt sich um die Liebesgeschichte der volkstümlichen Paare Annina/Caramello und Ciboletta/Pappacoda sowie um die Senatorsgattin Barbara im mehrbödigen Beziehungsgeflecht mit ihrem Neffen, ihrem Mann und dem liebestollen Herzog, der seinerseits ebenso brenzlige Situationen mit Annina und Ciboletta erlebt. Liebe, sexuelle und materielle Gier mischen sich gepaart mit Eifersucht zu einem brisanten Cocktail. Das närrische Treiben in der Lagunenstadt bietet den Figuren dabei die willkommene Gelegenheit, persönliche und gesellschaftliche Schranken im Schutz der Karnevalsmaske zu überwinden.
Der Kitzel dieser Operette erfasst seit gut 120 Jahren immer aufs Neue ein Publikum, das Venedig als Projektionsfläche romantischer Träume nördlich der Alpen bereits lange liebgewonnen hatte. Die Musik Johann Strauss' befördert solchen sinnlichen Taumel auf das Schönste. Der Komponist der «Fleder¬maus» und des «Zigeunerbarons» hat in dieser Erfolgsoperette allen Figuren ihre je charakteristische Musik mitgegeben, vom schmelzenden Liebesständchen zum plebejischen Geburtstagsständchen, vom Spottgesang zum prächtigen Walzer. ‹Schlager› wie «Frutti di mare», «Tacke, tacke» oder «Komm in die Gondel» beweisen immer aufs Neue die unerschöpfliche melodiöse Fertilität des Wiener Aus¬nahme¬komponisten. Das quirlige Pingpongspiel der schlagfertigen Dialoge tut ein Übriges, um das Personal zu verlebendigen und liebevoll zu konturieren.
BESONDERHEITEN DER LUZERNER INSZENIERUNG
Der österreichische Regisseur Adi Hirschal verschreibt sich auch im scheinbar ‹leichten› Genre der Operette der Psychologie der Bühnenfiguren und ihrem komplexen Beziehungsgeflecht. Im wandlungs¬fähigen, vom barocken Theater inspirierten Bühnenbild Ingrid Erbs spürt er den Motivationen und Sehnsüchten der Handelnden nach, ohne ihre Widersprüche zu verflachen oder sie zu denunzieren. Eine wesentliche Rolle spielen Wortwitz und schneller Schlagabtausch des Textes, die dem Wahlwiener Hirschal schon durch den liebenswerten ‹Wiener Schmäh› wohlvertraut sind. Das präzise Timing einer gelungenen Komödie ist für Hirschal die Voraussetzung einer Operetteninszenierung, die weder in wohlfeilem Rezeptionskitsch erstarren noch mutwillig gegen Zuschauererwartungen verstossen will. Voraussetzung war die Durchforstung verschiedener Textversionen mit dem Ziel, Gechwätzigkeit zu vermeiden, aber sprachlichen Witz und Verständlichkeit der Handlung zu erhalten (siehe auch Interview «Eine Stadt zum Träumen»).
In musikalischer Hinsicht ging der Luzerner Fassung eine intensive Prüfung bisheriger Versionen der Operette voraus. Dies insbesondere in der Frage von Modifikationen der ursprünglichen Berliner Partitur für die unmittelbar nach der Uraufführung folgende Realisation in Wien. Diese wurden zum Teil hektisch binnen sechs Tagen vorgenommen oder flossen nach und nach ein. Strauss hatte, durch den Misserfolg der Berliner Uraufführung stark verunsichert, einiges eher aus Mutlosigkeit denn aus Über¬zeugung geändert oder von fremder Hand ändern lassen. In genauer Abwägung entsteht in Luzern eine Berlin-Wiener Mischfassung, die danach strebt, die Balance zwischen dramaturgischer Wirksamkeit und ursprünglichem musikalischem Esprit zu finden.
Einige Veränderungen wurden noch von der Nachwelt vorgenommen, insbesondere unter Verwendung anderer Strausskompositionen, so dass mitunter die individuelle Architektur des Werkes aus dem Blick rückte. Die Motivation solcher Ergänzungen war jedoch nicht immer unlauter. Der unzweifelhafte dra¬ma¬turgische Vorteil einer ursprünglich nicht vorhanden Auftrittsarie des Herzogs, der üblicherweise durch die Hinzuziehung einer umgetexteten Arie aus Strauss' Operette «Simplicius» eingelöst wird, er¬fährt am Luzerner Theater nun eine Umsetzung innerhalb der Grenzen des Stücks: Kapellmeister Rick Stengårds und Dramaturg Christoph Kammertöns schufen ein aus dem Material der Operette heraus neukomponiertes und neugetextetes Arioso. Diesem folgt mit der Funktion der eigentlichen Arie die meist gestrichene, textlich nun auf den Herzog zugeschnittene Gesangsnummer «Lustig schwingt den Schellenstab».
Erstmals ermöglicht diese Lösung, ganz in der Musik von «Eine Nacht in Venedig» zu bleiben und den Herzog endlich mit jener Verve auftreten zu lassen, die seinem ebenso romantischen wie schwungvollen Wesen entspricht.
ÖFFENTLICHE PROBE: 9. DEZEMBER 2005, 18.00 Uhr
MATINEE ZUR PREMIERE: 11. DEZEMBER 2005, 11.00 Uhr
PREMIERE: 17. DEZEMBER 2005, 19.30 Uhr
WEITERE VORSTELLUNGEN:
23.12., 28.12., 30.12.2005, 02.01., 05.01., 19.01., 22.01., 28.01., 12.02. (20.00 Uhr), 15.02., 25.02., 05.03. (13.30 Uhr), 11.03., 26.03. (13.30 Uhr), 30.03., 05.04., 07.04.2006, jeweils 19.30 Uhr