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Lebenswege - „Septembersonate“ von Manfred Trojahn in der Deutschen Oper am Rhein

Premiere 3. Dezember 2023 im Opernhaus Düsseldorf

Mit dem Ansammeln von Lebensjahren stellt sich irgendwann die Frage, was gewesen wäre, wer man geworden wäre, wenn man sich im Leben manches Mal anders entschieden, eine andere Abzweigung genommen hätte. Davon handelt auch Henry James 1908 entstandene Kurzgeschichte „The Jolly Corner“, in welcher der Protagonist nach 33 Jahren Auslandsaufenthalt in seine Heimatstadt New York zurückkehrt, um seine geerbten Häuser zu renovieren. Die Frage "Wer wäre ich, wenn ich damals geblieben wäre?" beschäftigt ihn dermaßen, dass er nachts in dem dunklen, einsamen Haus seinem Alter Ego als Imagination, als Geist begegnet und einen Zusammenbruch erleidet.

 

Copyright: Wolf Silveri

Diese Geschichte hat Manfred Trojahn zu seinem kürzlich in der Deutschen Oper am Rhein uraufgeführten Kammerspiel "Septembersonate" inspiriert. Statt den familiären Gepflogenheiten zu folgen und Geschäftsmann zu werden, hat Osborne das Leben eines Schriftstellers geführt. Nun trifft er seine Jugendfreundin Ellice wieder. Er versetzt sich in seine Kinderjahre zurück, als er mit einem Puppentheater spielte. Durch Ellices dahingesagte Bemerkung "Wenn ich Sie so getroffen hätte, ich hätte mich doch auf der Stelle in Sie verliebt", wird ein wahres Gedankenkarussel bei Osborne ausgelöst, und er stellt sein bisheriges Leben und Verhalten in Frage, muss erkennen, dass sich Versäumtes nicht nachholen lässt, das Vergangene unwiderruflich ist. Dennoch ist in der Zukunft noch alles offen und möglich.

Das Erkunden der psychischen Verfasstheit löst Verwirrung aus, was sich auch in der Bühnenarchitektur wiederfindet. Es herrscht überwiegend Düsternis. Stahltreppen verschieben sich, führen ins Nirgendwo, an deren Geländer sich Osborn festhält, innehält, ins Nichts starrt.

Auch die dissonante Musiksprache spiegelt das Sezierende wider. Zwischen den sechs Szenen gibt es aber auch Momente des Innehaltens, der Reflexion. Ungewöhnlich ist die Besetzung im Orchestergraben: Bläserquintett (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn), ein Streicherseptett mit Bratschen, Celli, Kontrabass, aber keine Geigen, Klavier, Harfe und Schlagwerkinstrumente, insgesamt zählt das Kammerorchester 15 Musiker. Dazu erklingen immer wieder die Töne eines Pulsschlages und das Klappern einer Schreibmaschine. Manfred Trojahn zitiert kurz aus "Arabella" von Richard Strauss und "Tod und Verklärung" sowie aus Arnold Schönbergs "Pierrot Lunaire", das Schlussduett enthält Verse von Rilke.

Es ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild, in dem Trojahn versucht, innere psychische Regungen sichtbar zu machen. Handlungsarm, keine leichte Kost, nicht alle im Publikum vermochten das zu schätzen. Holger Falk als Osbert Brydon, Juliane Banse als Ellice Staverton, Susan Maclean als Mrs. Muldoon, Roman Hoza als Osbert II setzen das Konzept jedoch überzeugend um. Und wer sich darauf einlassen konnte, würdigte die Aufführung entsprechend.

Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Inszenierung: Johannes Erath
Bühne und Kostüme: Heike Scheele
Licht: Nicol Hungsberg
Video: Bibi Abel
Dramaturgie: Anna Melcher

Osbert Brydon: Holger Falk
Ellice Staverton: Juliane Banse
Osbert II: Roman Hoza
Mrs. Muldoon: Susan Maclean
Mutter: Angelika Richter
Düsseldorfer Symphoniker

 

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