Der zwölfjährige Jonas quengelt schon, bevor es losgeht: Konzert ist langweilig. Um sich zu beschäftigen, forscht er auf seinem Tablet nach Informationen zu Ludwig van Beethoven – und dann steht dieser plötzlich ganz leibhaftig vor ihm. Der gelungene Auftakt, beginnend im Zuschauerraum, bevor sich die Handlung auf die Bühne verlagert, holte die anwesenden Kinder im besten Sinne dort ab, wo sie sind, um sie in der folgenden Stunde mit Auszügen aus Beethovens 6. Sinfonie, Charme und viel Witz zu begeistern.
Zusammen mit den Schauspielern Jörg Schade, Carl-Herbert Braun und zwei Nachwuchstalenten des Naturtheaters (Finn Wiesenfahrt und Marie Durner, die sich bei den Schulaufführungen als Jonas/Lina abwechselten) bewies das wunderbare Streichsextett der Cappella Aquileia nicht nur seine musikalische Klasse, sondern auch schauspielerisches Talent. Mit sichtbarem Vergnügen spielten die Musikerinnen und Musiker sich selbst und bestürmten nach seinem überraschenden Auftritt den Komponisten, um ein Selfie mit dem Meister zu machen, was für herzhaftes Gelächter bei den rund 100 Zuschauern sorgte.
Spannend ging es weiter, denn Beethoven findet sich erstaunlich schnell damit ab, in unserer Zeit gelandet zu sein und beantwortet nicht nur Jonas‘ Fragen, sondern zeigt auch selbst großes Interesse an den neuen Möglichkeiten der Musik und den technischen Wundern, die ihm im Gegenzug von dem jungen Konzertbesucher erklärt werden. In den Dialogen zwischen Beethoven und Jonas – immer wieder unterbrochen vom herrlich verkrampften, überkorrekten Vater des Jungen (Carl-Herbert Braun) – zeigt sich die besondere Stärke der Inszenierung: Ein ganz selbstverständlicher Brückenschlag zwischen Alt und Jung, Vergangenheit und Gegenwart und hin zum Verständnis der Kompositionen Beethovens, den Jörg Schade mit fast kindlicher Neugier und liebenswert kauzig gibt.
Seine Erläuterungen zu den einzelnen Sätzen der 6. Sinfonie sind klar und bildhaft, die Kinder im Publikum werden konsequent mit einbezogen und angesteckt durch die unbefangene und natürliche Darstellung des Jonas von Finn Wiesenfahrt beteiligten sie sich rege. Belohnt wurde die Aufmerksamkeit mit dem Erleben einer faszinierenden Fantasiereise durch die Natur und einem furiosen Gewitter, bei dem das Publikum mit krachendem Donner und prasselndem Regen das Sextett zum Orchester ergänzen durfte.
Das zunächst deutlich größer für ein komplettes Orchester und viele tanzende Jugendliche geplante Projekt schrumpfte pandemiebedingt zur Musiktheaterinszenierung mit Streichsextett zusammen – dabei mag es an Größe eingebüßt haben, doch ganz sicher nicht an Qualität. Das Mitgenommen werden durch einen Gleichaltrigen und die emotionale Ansprache durch das Komponisten-Genie funktionieren hervorragend und machen Beethovens Pastorale als „Gefühl in Tönen“ erlebbar.