Spieltechniken wie Mikrotonalität und geheimnisvoll schwebende Klangflächen verbinden sich dabei zu einem eigenartigen Klangkosmos, aus dem die Streichinstrumente hervortreten. Doch die Faszination der "Dora"-Komposition bleibt aus.
Victor Julien-Laferriere (Violoncello) war dann der prägnant musizierende Solist im Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in a-Moll op. 33 aus dem Jahre 1872 von Camille Saint-Saens. Vollendete Klarheit und bestechende Aufmachung ragten bei dieser klugen und konzentrierten Wiedergabe deutlich hervor, wobei die sorgfältig gewählten Orchesterfarben des Staatsorchesters Stuttgart immer wieder leuchtkräftig hervorblitzten. Dieses einsätzige Cellokonzert faszinierte in dieser Wiedergabe vor allem aufgrund der melodischen Qualitäten, die leidenschaftlich beschworen wurden. Zum geheimnisvollen Tremolo der Streicher setzte das Soloinstrument gleich im ersten Takt mit dem markanten Hauptgedanken ein. Das kraftvolle Triolenmotiv schloss mit einem eindringlichen Vorhalt ab. Flöte und Geigen wiederholten dieses Thema. Und der Solist leitete zum ruhig schreitenden zweiten Thema über. Der Triolenfluss des Hauptthemas setzte sich durch. Auch das Marschthema im Orchester wurde wirkungsvoll herausgearbeitet. Eher zart wirkte dann das zweite Thema. Von unheimlicher Wirkung war aber der Scherzo-Teil. Die Durchführung wurde zuvor im Hauptthema wirkungsvoll verarbeitet. Hymnische Aufschwünge und einen bravourösen, strettahaften Schluss zelebrierte der glanzvolle Solist Victor Julien-Laferriere mit Noblesse und spieltechnischer Eleganz.
Als Zugabe folgte noch eine wunderbar sphärenhaft dargebotene "Gigue" von Johann Sebastian Bach.
Zum Abschluss erklang die Sinfonie Nr. 3 "Symphonie liturgique" aus den Jahren 1945/46 von Arthur Honegger, wo er sich als überzeugter Humanist erweist. Hier wird "mit der rhetorischen Gewalt von Feuerzungen" der Not der von Angst gejagten Kreatur Ausdruck gegeben. Entscheidend ist dabei das Kriegsgeschehen. Honegger beruft sich hier deutlich auf christlich-katholische Vorstellungen. Dabei dringt er auch in Claudels Gedankenwelt ein. Der erste Satz mit dem Titel "Dies irae" schildert die Gewalt und Verwüstung, die der Welt widerfahren ist. Das Staatsorchester Stuttgart arbeitete unter der Leitung von Ainars Rubikis die Vision des Jüngsten Gerichts machtvoll und schauerlich heraus. Kontrapunktisch leuchtend traten die Geigen hinzu. Der zweite Satz "De profundis clamavi" ist der Ausdruck der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung, die im Herzen der Menschen lebendig bleibt. Im dritten Satz nimmt der Kampf gegen die Verbohrtheit der Welt Gestalt an. Der Aufschrei "Dona nobis pacem" gelang bei dieser bewegenden Wiedergabe ausgesprochen erschütternd.
Der erste Satz Allegro moderato wurde von rasch näherkommendem Donnergrollen begleitet, dessen Intensität immer mehr zunahm. Dann ertönten gewaltig die beängstigenden Fanfaren des Jüngsten Gerichts. Ein leidenschaftliches Streicherthema wurde in die Enge getrieben. In vielfach sich wandelnder Gestalt durchzog es den ganzen Satz. In höchster Spannung presste sich der Rhythmus ganz eng zusammen, was Ainars Rubikis mit dem Staatsochester Stuttgart fesselnd unterstrich. Auch rhapsodische Lyrik blieb spürbar. Drohend meldete sich das tiefe Blech, schrill ertönte der Aufschrei der Holzbläser. Das zweite Thema bestach als kurzes Motiv der Streicher und Holzbläser. Die Durchführung geriet zum berührenden Höhepunkt, Fanfarenstöße führten zur Reprise mit einem schaurigen Klang, bis die Coda hörbar wurde. Eine friedvolle Melodie von Posaunen, Flöten und Englischhorn setzte sich durch. Der zweite Satz beeindruckte hier als breit entwickeltes Adagio - fast unerschöpflich im Fluss seiner dunkel-klagenden Melodien. Sie verdichteten sich im flehenden Klagen des ersten Oboenthemas. Im Mittelteil meldeten sich erschütternde Streicherklagen. Die Bitte um Frieden stieg im dritten Satz aus qualvoller Gebundenheit empor. Düster hob ein Marschthema an, das sich in stockendem Schritt verbreitete, bis die Hörner neue Energien wachriefen. Immer drängender und stürmischer entwickelte sich das Geschehen um diese beiden Themen, als wüchsen Qual und Verzweiflung über den Menschen hinaus. Dreimal reckte sich der Urschrei der Kreatur aus den schockierenden Marschrhythmen hoch, danach sank der Klang wie ein verblassendes Schreckbild ab. Tröstlich und ergreifend stieg ein Streichergesang auf, umspielt von zarten Figuren der Flöte und überglänzt von der intensiven Wärme der Solovioline. Neben ausdrucksvollen Glissandi-Passagen gefiel der filigrane Dialog von Solocello und Flöte, gefolgt von schwebend verklingenden Streichern.
Eine famose Leistung des Staatsorchesters Stuttgart unter Ainars Rubikis. Begeisterter Schlussapplaus.