Skrupellos setzt er sich an die Macht. Franz‘ Hybris liegt in der Überzeugung, dass seine Freiheit darin bestünde, sich und seine Welt jenseits aller bestehenden Normen und Werte neu zu erschaffen. Nun ist Karl der Ausgestoßene, die Ordnung seiner Kindheit verkehrt. Sein Blick auf die desaströsen und ungerechten Missstände der Welt rechtfertigen in seinen Augen Raub, Gewalt und Mord. Er schließt sich einer Räuberbande an, wird ihr Anführer und schwört dieser Treue und Gefolgschaft bis zum Tod.
Regisseurin Nina Mattenklotz bringt Schillers „Räuber“ in einer komprimierten und für sechs Spieler verdichteten Fassung auf die Große Bühne des Schauspielhauses Chemnitz. Sie zertrümmert den Klassiker nicht, vielmehr sezieren sie und ihr Team ihn, nehmen auseinander, setzen wieder zusammen und richten einen scharfen Blick auf die Gegenwart. Denn es scheint, dass ein neues Zeitalter der Radikalität angebrochen ist – Kriegsrhetorik in aller Munde, Gewalteskalationen rechts und links und jede Seite okkupiert dieses große Wort für sich: FREIHEIT! Alles geschieht im Namen der Freiheit: Mord, Totschlag, Überwachung und Überprüfung. Doch wo landen wir, wenn sich die Gewalt verselbstständigt und sich ein Riss nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Gesellschaft zieht und Misstrauen, Angst und Feindlichkeit wachsen? Ist das die einzige Basis, die uns noch vereint?
An diese Fragen anknüpfend, nutzt Mattenklotz den bei Schiller angelegten Konflikt der beiden ungleich erzogenen Brüder. Sie stellt Franz‘ instrumentellen Rationalismus gegen den blutigen Idealismus Karls – zwei radikale Entwürfe prallen damit aufeinander und bilden das Spannungsfeld und zugleich einen Versuchsraum, in dem sich die Inszenierung mit dem Schillerschen Text auf eine sinnliche Ursache-Wirkungs-Forschung begibt. Der Versuchsraum ist die leere Bühne, sechs Schauspieler loten Positionen und Stoßrichtungen aus. Lassen sich in unserer immer komplexer werdenden Lebensrealität überhaupt noch klare Positionen definieren, wofür steht man ein, wogegen lehnt man sich auf?
Nina Mattenklotz (Regie)
wurde 1980 in Gütersloh geboren und studierte von 2000 bis 2004 Medienkultur, Neuere deutsche Literatur und Psychologie an der Universität Hamburg. Von 2004 an folgte ein Regiestudium an der Theaterakademie Hamburg, das sie 2008 mit der Inszenierung „Woyzeck“ auf Kampnagel abschloss. Im selben Jahr wurde sie mit dem Doctores-Völschau-Preis für Nachwuchsregie ausgezeichnet. Einige ihrer in der Studienzeit erarbeiteten Inszenierungen wurden zu Festivals, wie dem Körber Studio Junge Regie („Elektra“) und dem Heidelberger Stückemarkt, eingeladen. Als freie Regisseurin inszenierte sie u. a. am Schauspielhaus Wien die österreichische Erstaufführung von „Die Eisvögel“ sowie Rainer Werner Fassbinders „Katzelmacher“ am Schauspielhaus Graz und „Romeo und Julia“ am Theater Luzern. Am Theater Bremen inszenierte sie in der Spielzeit 2014/2015 Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ sowie in der Spielzeit 2016/2017 die Uraufführung „Ännie“ von Thomas Melle. Am Schauspielhaus Chemnitz inszenierte sie in der Spielzeit 2015/2016 das Gewinnerstück des Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik „Die Zärtlichkeit der Hunde“ von Uta Bierbaum.
Regie: Nina Mattenklotz
Bühne und Kostüme: Johanna Pfau
Mit: Andreas Manz-Kozár (Maximilian, regierender Graf von Moor), Philipp von Schön-Angerer (Karl Moor), Jan Gerrit Brüggemann (Franz Moor), Maria Schubert (Amalia), Katka Kurze (Spiegelberg), Martin Esser (Räuber)