Im Jahr 2072 ist das Unvorstellbare geschafft: Fast alle Krankheiten sind ausgerottet, niemand stirbt an Krebs, medizinisches Leiden ist Geschichte und den Meisten nicht einmal mehr bekannt. Dank der „Methode“, einem Gesellschaftssystem, das allein auf das gesundheitliche Wohl des Kollektivs ausgelegt ist, strebt der Mensch der Optimierung entgegen. Niemand muss auch nur einen Gedanken an Leid und Angst verschwenden, solange man sich an die Regeln und Vorschriften hält. Mia Holl, Biologin mit hohem Ansehen, lebt ein gutes Leben mit der Methode.
Doch die scheinbare Utopie wird zerstört – ihr Bruder wird per DNA-Test des Mordes überführt und nimmt sich im Gefängnis das Leben. In ihrer Trauer und angesichts der Aussichtslosigkeit gerät sie in einen Gewissenskonflikt und sie beginnt, das System der „Methode“ in Frage zu stellen: Kann ihr Bruder ein Mörder sein? Könnte die Methode doch Fehler zulassen? Es dauert nicht lange, bis ihre Zweifel bemerkt werden. Doch der auf sie ausgeübte Druck entfaltet sich anders, als sich die Behörden erhofften…
In Tanja Weidners Inszenierung werden die Zuschauer in mehrfacher Hinsicht in die Zukunft entführt: Im Zuge der Probenarbeit formierte sich die Gruppe „BoDiLab“, ein Kreativ-Team, das sich aus vielen unterschiedlichen „Digital-Nerds“ zusammensetzt: Veranstaltungstechnikern, Azubis, Schauspielern, Studierenden, der Regisseurin sowie Bühnenbildnerin und Mitgliedern des Münsteraner Hackerspace „Warpzone“.
Alle vereint die Experimentierfreude und der Spaß an der Entwicklung neuer Spielformen und Transformationsprozessen. Für „Corpus Delicti“ hat BoDiLab den Bühnen- und Zuschauerraum als ein Überwachungs-Panoptikum entworfen, in dem acht Kameras, zahlreiche Projektionsflächen, Greenscreen-Technik und VR-Brillen zum Einsatz kommen und das Publikum auf spielerische Art einlädt, daran teilzuhaben.
Ihre Kritik an staatlichen Überwachungsmaßnahmen und Spionageaffären brachte Richterin und Autorin Juli Zeh (*1974) in offenen Briefen und Petitionen zum Ausdruck und floss insbesondere in ihrem Roman „Corpus Delicti“ ein. Darin warnt sie vor der Überwachung durch den Staat und dem Verlust der Privatsphäre unter dem Mantel vermeintlicher totaler Sicherheit. Es entstand ursprünglich als Theaterstück für die RuhrTriennale und wurde dort 2007 uraufgeführt. Zwei Jahre später erschien der gleichnamige Roman, der schnell zum Bestseller wurde.
Juli Zeh
Corpus Delicti
Inszenierung | Tanja Weidner
Bühne & Kostüme | Annette Wolf
Video, Sound & VR | BoDiLab
Dramaturgie | Annika Bade
Mitwirkende | Florian Bender | Rosana Cleve | Erika Jell | Ivana Langmajer | Jürgen Lorenzen | Alessandro Scheuerer
Weitere Termine | Fr -Sa 4.-5. Februar | 20 Uhr | So 6. Februar | 18 Uhr | [Einführung