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ZWISCHEN REVOLUTION UND AUFKLÄRUNG - Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte" (Libretto: Emanuel Schikaneder) mit dem Pfalztheater Kaiserslautern im Theater Heilbronn ZWISCHEN REVOLUTION UND AUFKLÄRUNG - Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte"...ZWISCHEN REVOLUTION UND...

ZWISCHEN REVOLUTION UND AUFKLÄRUNG - Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte" (Libretto: Emanuel Schikaneder) mit dem Pfalztheater Kaiserslautern im Theater Heilbronn

am 24.5.2024

Kinder spielen in dieser ungewöhnlichen Inszenierung von Pamela Recinella (Bühne und Kostüme: Jason Southgate) eine große Rolle. Gleich bei der Ouvertüre spielen Pamina als Mädchen und Tamino als Junge ein Fang- und Versteckspiel - und die drei Damen treten in Herrenanzügen auf. Vieles überrascht bei dieser Regie-Arbeit, die virtuos mit Masken und Rokoko-Perücken arbeitet. In der Bühnenmitte sieht man eine Art Lebensbaum, der sich in geheimnisvoller Weise auszubreiten scheint. Eine patriarchale Welt wird beleuchtet, ebenso die Zeit der Aufklärung und die Atmosphäre bei den Freimaurern, deren Mitglied Mozart war.

 

Copyright: Portrait W.A. Mozart

Die Schlange erscheint plötzlich als Mann mit goldenem Schwanz, was Tamino in großen Schrecken versetzt. Die blonde Pamina nimmt er zunächst als Kinderbildnis wahr, dann  erscheint die Königin der Nacht in einem recht schlichten Gewand und klagt über die Entführung ihrer Tochter Pamina durch Sarastro. Später wird sie Pamina sogar auffordern, Sarastro zu töten. Monostatos wird hier nicht als 'Neger' dargestellt, sondern als missgestalteter Mann - eine Art Phantom der Oper. Die Regisseurin Pamela Recinella versucht diese Figur zu verstehen, die in anderen Inszenierungen oftmals rassistisch gezeigt wird. Natürlich kommt es auch hier zu einem Happy  End zwischen dem mit Friedenstauben agierenden Papageno und seiner rothaarigen Papagena. Auch Tamino und Pamina werden nach bestandenen Feuerprüfungen schließlich ein Paar. Die Priesterschaft des Sonnenkreises wird durch Büchersäulen geschützt, die dann jedoch zu Boden fallen. Es kommt zu witzigen Übertreibungen in den Dialogen - etwa wenn Papageno von "Spätzle mit Soß'" spricht. Es gibt sogar Assoziationen zu einem Schachspiel. Pamina und Tamino erscheinen in Särgen, die dann wieder geöffnet werden.

Die Inszenierung lebt von grotesken Übertreibungen. Nach einem letzten Donnergrollen wird die Königin der Nacht von Sarastro vertrieben. Zurück bleiben Pamina und Tamino, die auf den Überresten der goldenen Schlange sitzen. Sie liest ein Buch, während er zuletzt in ihre Arme sinkt. Das ist ein schönes Schlussbild dieser Inszenierung, die trotz einzelner szenischer Schwächen überzeugt. Pamela Recinella möchte in ihrer Arbeit eine kritische Lektüre des Stücks aus einer zeitgenössischen Perspektive vornehmen. Die im  Libretto zum Ausdruck gebrachten überholten Vorstellungen des späten 18. Jahrhunderts sollen neu gedeutet werden. Das ist in vielen Details durchaus gelungen. Hinsichtlich der Französischen Revolution belegen  übrigens Dokumente im Zusammenhang mit der Untersuchung gegen die österreichischen Jakobiner, dass die "despotische" Regierung Ludwigs XVI. mit der "Königin der Nacht" gleichgesetzt wurde. Dafür bietet Pamela Recinella in ihrer Inszenierung  Ansätze. Die Suche nach Weisheit, Wahrheit und Liebe verläuft recht kompliziert. Widersprüche und  Paradoxien in unserer Gesellschaft treten hier grell hervor. Die freimaurerische Vorstellungswelt wird dabei facettenreich durchleuchtet. Mysterien, Kulte und religiöse Ordnungen erhalten ein neues Gesicht.

Nach der ersten Begegnung mit dem Priester wird Tamino bewusst, dass sein Verständnis von Paminas Entführung, von der Notlage der Königin und ihrer wahren Natur falsch sein könnte. Tamino fragt, was wirklich hinter den Worten der Königin und Sarastros steckt. Tamino und Pamina hinterfragen auch alle Ungereimtheiten von Sarastros Ideologie. Am Ende weiß man nicht mehr, ob es die Wahrheit wirklich gibt. Im Sinne von Sokrates wird jede Erkenntnis zu einer neuen und endlosen Lebenssuche. Das Theater erscheint als Sinnbild. Musikalisch kann diese Aufführung ebenfalls weitgehend überzeugen, wenngleich das Klangbild der Pfalzphilharmonie Kaiserslautern eher schlank und schlicht ist. Dafür kommen die melodischen  Wendungen der einzelnen Instrumente gut zum Vorschein. Unter der kompetenten Leitung von Olivier Pols erreichen die drei feierlich aufsteigenden Bläserakkorde eine ungeahnte Intensität. Das in seinem Ebenmaß fein gemeisselte Allegrothema kann sich so gut entfalten. Es erscheint zunächst fugiert und verläuft dann  konsequent in immer neuen kontrapunktischen Wendungen und Verbindungen. Festliche und ruhige Leuchtkraft herrschen vor.  Die Wanderungen, die Violinen und Bässe mit Sarastro antreten und die Wahrnehmung des Weltkreises in der Gegenbewegung von Höhe und Tiefe bleiben stark im Gedächtnis. Die Bassetthörner färben hier das Instrumentarium mit geheimnisvollen Klangfarben, die "Zauberflöte" erhält facettenreichen Trompetenklang.

Die Welt der machtvollen Opera seria triumphiert bei den beiden Arien der Königin der Nacht, Estelle Kruger stellt sie durchaus als dämonische Intrigantin dar, deren Spitzentöne markant in die Luft stechen. Ihre Koloraturen sind sehr filigran und graziös. Das rasende d-Moll der Königin der Nacht besitzt hier mitreissendes Feuer. Als Fee und Zauberin gleicht sie der "Elettra" in Mozarts "Idomeneo". Das zweite Finale überrascht wiederum mit elektrisierender C-Tonalität, aber auch die Grundtonart Es-Dur zeigt sich nuancenreich im Finale. Olivier Pols legt als Dirigent auf dynamische Kontraste durchaus Wert. Im Klang der sordinierten Trompeten und Pauken behaupten sich die Zeichen herrscherlicher Macht. Und im C-Dur-Finale führt die Handlung dann in eine neue Region, in die Region Sarastros - in eine Sphäre des Lichts, für die C-Dur steht.

Nicht nur bei der Bildnis-Arie kann der Tenor Daniel Kim als Tamino fesseln, wobei seine Stimme klanglichen Schwankungen ausgesetzt ist. Überzeugender ist Sofie Lund als leidenschaftliche Pamina, die ihrer Rolle ergreifende Würde verleiht. Die E-Dur-Arie "In diesen heil'gen Hallen" des Sarastro erhält durch den ausdrucksvollen Bass von Arkadiusz Jakus sonore Würde, während Johannes Fritsche und Valerie Gels sich als Papageno und Papagena gesanglich gut ergänzen. Johannes Hubmer gefällt als grell timbrierter Tenor in der Rolle des Monostatos. In weiteren Rollen überzeugen Yuhui Liang als Sprecher, Arminia Friebe, Vera Maria Bitter und Bethany Yeaman als erste, zweite und dritte Dame sowie Leo Jaewon Jung und Radoslaw Wielgus als erster und zweiter Geharnischter. Hinzu kommen Dmitri Oussar, Jose Carmona und Kwanghee Choi als erster, zweiter und dritter Priester, Shin Nishino, Alexandru Popescu und Ralph Jaarsma als erster, zweiter und dritter Sklave sowie Raphael Krysztofiak, Siegfried Jung und Lukas Mangold (Mitglied des Pfalztheater Opernstudios in Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim) - sie bilden allesamt einen ansprechenden gesanglichen Reigen. Victoria Wozniak und Benjamin Farsadpour mimen Pamina und Tamino als Kinder. Gabriel Weißbart gibt Monostatos als Kind nuancenreiche Gestalt.  Das B-Dur-Terzett "Soll ich dich, Teurer, nicht mehr sehn?" leitet schwungvoll zum Finale über. Auch der Chor des Pfalztheaters imponiert mit klanglicher Wucht.

Zuletzt begeisterter Schlussapplaus und viele "Bravo"-Rufe.
 

 

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