Bühne und Kostüme von Jörg Zysik entführen die Zuschauer in eine moderne Zeit, die aber auch knallbunt ist. Frauen sind dabei niemals treu, alle Männer gleich wertlos. Das Experiment endet in einer Achterbahn der Gefühle und führt die Protagonisten an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Für den Regisseur Guillermo Amaya ist "Cosi fan tutte" Mozarts größter Geniestreich. Seine Inszenierung ist inspiriert von der Bilderwelt von Pedro Almodovar. Dessen Filme waren das Kraftzentrum der kulturellen Befreiungsbewegung "movida madrilena" im Spanien der frühen 1980er Jahre. Im Übergang zur Demokratie gab es nach der Franco-Diktatur viel aufzuholen. Almodovars Filme leben von der Sprengkraft unerwarteter Begegnungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Milieus.
Davon ist auch sehr stark diese eigentlich eher schlichte Inszenierung geprägt, der man visuell manchmal etwas mehr Lebendigkeit wünscht. Dafür ist die Personenführung sehr gut gelungen, sie besitzt geradezu melodramatische Triebkraft. Die offene Konfrontation mit dem herrschenden Adel lässt hier nicht lange auf sich warten. Die Frauen sind in dieser Inszenierung eindeutig stärker als die Männer, die um den Finger gewickelt werden. "Die Schule der Liebenden" zeigt bei Almodovar pädagogische Qualität, er zeigt Menschen in ihrer extremen Vielfalt. Menschen, die unter Franco Macht hatten, waren konservative Polizisten, Priester, Beamte und Politiker, die ihre Rechte nicht aufgeben wollten. Davon erzählt auch diese Regie-Arbeit in fast satirischer Weise im Kleid des Pop.
Don Alfonsos Motive sind hier nicht rein aufklärerisch. Sein Handeln ist getrieben von tiefen persönlichen Verletzungen. Ob er sein Trauma überwindet, bleibt am Schluss der Inszenierung offen. Trotz des C-Dur-Schlusses und der Versöhnung zwischen den Paaren Fiordiligi, Dorabella, Ferrando und Guglielmo schwebt zuletzt eine gewisse Melancholie über der Szene, zumal die schlagfertige Despina erklärt, man dürfe Liebe und Treue nicht so wichtig nehmen. Don Alfonso zeigt sich auch als Priester als Verführer. Auf der Bühne herrscht heilloses Durcheinander. Musikalisch ist diese Aufführung ein großer Genuss. Unter der inspirierenden Leitung von Bernhard Epstein musiziert das Stuttgarter Kammerorchester überaus elektrisierend und temperamentvoll, was sich schon bei der Ouvertüre zeigt. Im tollen Wirbel des Presto werden wirklich alle Lebensgeister losgelassen. Die drei Themen besitzen Würze und Grandezza, die Oboe trägt das schwärmerisch verliebte Thema geradezu leidenschaftlich vor. Und die Bässe lösen es schelmisch mit dem Zitat "So machen's alle" ab - nämlich die Frauen.
Der Reiz der Opera buffa blitzt immer wieder hervor, zumal die verführerischen musikalischen Einfälle nur so hervorsprudeln. Nicht umsonst schrieb E.T.A. Hoffmann von Mozarts "herrlicher Oper Cosi fan tutte", obwohl sie nicht so hoch im Kurs steht wie etwa "Die Hochzeit des Figaro" oder "Don Giovanni". Die Komplexität des Thematisch-Motivischen arbeitet Bernhard Epstein mit dem Stuttgarter Kammerorchester jedenfalls plastisch heraus. Eduard Hanslick kritisierte übrigens die Unwahrscheinlichkeit der Fabel, die aber aus heutiger Sicht durchaus realistisch erscheint. Die Paare, die so oberflächlich in den Tag hinein leben, stehen plötzlich vor dem Abgrund - und dies kommt bei dieser Aufführung auch musikalisch überaus deutlich zum Ausdruck. Der Marsch, der die Geliebten ins "schöne Militärleben" rief, klingt hier wie aus einer anderen Welt. Auch der Larghetto-Kanon im Finale des zweiten Aktes lässt deutlich werden, dass die Liebespaare auf einen gefährlichen und ernsthaften Prüfungsweg geschickt werden.
Die Abschiedsszene im ersten Akt mit ihrer erfüllten und beseelten Musik kommt glänzend zum Vorschein. Das liegt aber auch an den Sängerinnen und Sängern, die alle Nuancen dieser Protagonisten sehr gut verdeutlichen. Anastasia Wanek als Fiordiligi, Lana Maletic als Dorabella sowie Alejandro Aparicio als Ferrando und Arthur Adams-Close als Guglielmo ergänzen sich stimmlich ausgezeichnet. Hinzu kommt Shunya Goto als verschlagener Priester Don Alfonso, der mit klangfarblich reichem Bass für das musikalische Fundament sorgt. Elena Salvatori überzeugt als darstellerisch facettenreiche Dienerin Despina. Der Empfindungs- und Spontaneitätsspielraum weitet sich immer mehr aus. Im Terzett "Una bella serenata" in C-Dur werden Töne von verklärter Leuchtkraft hörbar, die einen starken Eindruck hinterlassen. Das Allegro-Tempo gerät schon beim ersten G-Dur-Terzett nicht aus dem Gleichgewicht. Der leidenschaftliche Konversationston wird hier nirgends vernachlässigt - vor allem nicht beim Liebesduett Ferrandos mit Fiordiligi.
Das A-Dur als typische Tonart der Mozartschen Liebesduette und -Terzette erstrahlt in hellstem Glanz. Erst durch die raffinierte Maskerade kommen hier die Paare im Stil des "mezzo carattere" oder "primi buffi" zusammen. Nach der Katastrophe folgt dann im Finale die Versöhnung mit einem ungewöhnlichen Übergang von As-Dur nach E-Dur. Die Gesellschaft wird von der Vergangenheit eingeholt - der Militärmarsch erklingt pianissimo im Hintergrund "Bella vita militar". Dorabella sieht sich sogar von Furien verfolgt, es folgen pfeifend-jagende Linien der Bläser, aufwühlende Streicherpassagen. So wird der "suono orribile", der Klang der Unterwelt, laut. Lana Maletic brilliert in ihrem Verzweiflungsausbruch in Rezitativ und Arie "Smanie implacabili". Die jagende Alla-breve-Bewegung ("aria agitata") wird präzis akzentuiert.
Zuletzt Jubel und "Bravo"-Rufe des Publikums.