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BEZUG ZUR NATUR -- "Die schöne Müllerin" von Franz Schubert im Schlosstheater LUDWIGSBURG

am 3. Juli 2024

Franz Schubert beschäftigte sich seit dem Jahre 1821 mit der "Schönen Müllerin". Denn in diesem Jahr fiel ihm eine Sammlung von Gedichten von Wilhelm Müller in die Hände. Der Komponist litt zu dieser Zeit an den psychisch spürbaren Symptomen einer Syphiliserkrankung. Diese Tatsache hat Eingang in den Schaffensprozess gefunden. In Zusammenarbeit mit der Staatsoper Stuttgart war nun eine szenisch interessante Gestaltung dieses berühmten Liedzyklus' von Norbert Bisky zu sehen.

 

Copyright: Matthias Baus

Hier beginnt man mit einer bewussten Verkehrung der Stimmungen und Tageszeiten. Der Maler entführt die Zuschauer in einen subtropischen Nachtwald, der sich zu einem fragmentierten Sonnenaufgang aus elektrisierenden Farben verwandelt. Die Reise des Müllers beginnt tagsüber und sein Leben endet am Bach in der Nacht, was auf der "modernisierten" Bühne des Schlosstheaters durchaus reizvoll verdeutlicht  wird. Der üppige Eichenwald erfüllt aus Sicht des Malers nicht mehr unser Bedürfnis nach Einsamkeit und Innerlichkeit. Die Farben wechseln hier von den Blautönen zum Pastell-Rosa und -Blau des Rokoko. Biskys Malerei fordert die Wahrnehmung des Publikums bis hin zum Blitzlichtgewitter deutlich heraus.

Dazu bieten der wandlungsfähige Tenor Mingjie Lei und der einfühlsame Pianist Alain Hamilton eine hervorragende Leistung. Elemente des Kunstfertigen und Volkstümlichen treten bei dieser reifen Interpretation in besonderer Weise hervor und ergänzen die malerische Arbeit Norbert Biskys eindrucksvoll. Im zwölften Lied "Pause" imitiert die Klavierbegleitung reizvoll das geheimnisvolle Spiel der Laute. Der Wechsel zwischen Dur und Moll gelingt dem Tenor Mingjie Lei ebenfalls ausgezeichnet. Auch das Einbrechen schroffer Dissonanzen gewinnt eine große Intensität.  

Die romantische Unendlichkeit der Klangwelt blüht bei weiteren Liedern wie "Wohin?", "Morgengruß", "Tränenregen", "Eifersucht und Stolz" oder "Des Baches Wiegenlied" in sehr bewegender Weise auf. Und auch die leisen Zwischentöne kommen nicht zu kurz. Dazu passt Norbert Biskys Wasser-Installation bei "Die liebe Farbe" und "Die böse Farbe". Man bekommt als Zuschauer so einen direkten Bezug zur Natur. Die Angebetete entscheidet sich schließlich für einen anderen Mann. Und der im Suizid-Wahn stehende Geselle erkennt, dass er dies alles nur geträumt hat.

Das Innenleben des jungen Müllers wird von Norbert Bisky (Mitarbeit Kostüm: Natalie Fuchs) einfühlsam beleuchtet. Es fordert die Wahrnehmung des Publikums heraus. Der Mensch sucht nach Resonanz in der Welt und scheitert daran. Dies zeigt auch der Pianist Alain Hamilton, der in immer neue Kostüme und Masken schlüpft und zuletzt wie ein Vogel auftritt. Weitere Lieder wie "Mein!", "Mit dem güldnen Lautenbande" oder "Trockne Blumen" sowie "Der Müller und der Bach" gewinnen bei dieser szenischen Gestaltung ebenfalls starke Präsenz. Gerade der große melodische Zauber dieser Lieder erfährt eine überwältigende Klangfülle, die Medianten und Parallelen gewinnen eine große harmonische Bedeutung.

Die harmonische Farbe zeigt sich so nicht nur bei den Terzverwandtschaften, sondern auch im sphärenhaften Zauber des Schwebenden und Schweifenden. Das Träumerisch-Phantastische kommt am Schluss klar zum Vorschein, als das Licht auf der Bühne langsam erlischt. Der intime und lyrische Charakter von Schuberts Musik wird von Mingjie Lei und Alain Hamilton in exzellenter Weise herausgearbeitet. Die blühende melodische Schönheit triumphiert.

Begeisterter Schlussapplaus, viele "Bravo"-Rufe.
 

 

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