Zwischendurch braust ebenfalls ein Gewitter durch die Luft. Die wandlungsfähigen Schauspieler Tim Bülow, Camille Dombrowsky, Katharina Hauter, Sebastian Röhrle und Silvia Schwinger erleben hier den Lauf der Sonne in den unterschiedlichsten Stimmungen und Schwingungen, zwischen Glut und Glanz herrschen gleichzeitig Euphorie und Melancholie. Auch die Tränen verdampfen schließlich zu Rauch und Staub. Im goldenen Schein des Tages erwachen dann auch die Wunder der griechischen Mythologie. Die Welt der Titanen um Kronos und Rhea lebt wieder auf. Kronos, der Sohn des Himmels und der Erde, entmannt seinen Vater. Und der Himmel ist so für alle Zeit von der Erde abgetrennt. Zwischen dem göttlich-titanischen Machtwillen erscheinen ebenso die Rachegöttinnen, die Erinnyen, die von den Römern Furien genannt wurden. Und auch Ingeborg Bachmanns Gedicht "An die Sonne" findet im Programmheft Erwähnung: "Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein..."
Auffallend ist das fließende Melos und die Musikalität von Elfriede Jelineks Sprache, die hier gut umgesetzt werden. Dazu trägt außerdem die suggestive Musik von Matija Schellander bei. Durch einen weißen Portalvorhang blickt der Zuschauer auf eine orangefarbene Bühne aus hängenden Tüchern. Sie verdecken den neongelben Bühnenboden und die darauf verteilten Buchstaben. Nach hinten wird der Bühnenraum durch eine Lichtfläche begrenzt. Im Mittelpunkt des Stücks steht die sinnliche Wahrnehmung von Kraft. Die elementaren Kräfte Sonne und Luft gewinnen eine immer größere Intensität und Leuchtkraft, Farben und Formen beherrschen den Raum fast allumfassend. Die Sonne wird dabei als Einheit dargestellt. Während die Sonne selbst spricht, spricht immer wieder jemand über die Luft. Und die Sonne ist Teil der Luft.
Man sieht zudem eine große vergoldete Scheibe auf einem Wagen. Die "Erdin" Gaia hält das Zepter in der Hand: "Die Erde bewegt sich unter Ihnen, Sie müssen gar nichts tun..." Obwohl an diesem Abend stellenweise die Gefahr der Langatmigkeit besteht, beeindruckt der geheimnisvolle Zauber von Jelineks polyfoner Textfläche durchaus. "Endlich einmal durchatmen" verkündet hier die Luft und es fliegen Teile des Schreibtischs mit der Steuererklärung durchs Büro. Auch ein Drache hebt ab aus den Untiefen des Himmels, die Tücher fallen zu Boden. Erde, Feuer und Wasser scheinen in dieser Inszenierung immer wieder sichtbar zu sein.
Manches hört sich an wie ein grotesker Beitrag zur Solarpolitik: "Nicht alles findet in der Luft statt, doch ohne Luft fände gar nicht statt..." Auch über die Peripherie des Weltalls wird intensiv philosophiert. Da denkt man dann an Zeus und den Olymp, die Berge sind in Wolken gehüllt. Felsmassive scheinen in die Luft gejagt zu werden, um Sonnenstädte zu bauen. "Energie" verbindet sich in subtiler Weise mit der Natur. Manches wirkt auch wie eine bitterböse Abrechnung mit den Gegebenheiten und der skurrilen Situation des Menschen. Am Schluss herrscht Ernüchterung. Eine Zugabe gibt es auch nicht mehr: "Denn wenn man am Saum was zugibt, wird Ihnen das Leben wahrscheinlich zu lang werden."
Begeisterter Schlussapplaus im Kammertheater.