Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
DIE SUCHE NACH DER WAHRHEIT -- Gastspiel "Chaim & Adolf" mit dem Theater Lindenhof Melchingen im Studiotheater STUTTGARTDIE SUCHE NACH DER WAHRHEIT -- Gastspiel "Chaim & Adolf" mit dem Theater...DIE SUCHE NACH DER...

DIE SUCHE NACH DER WAHRHEIT -- Gastspiel "Chaim & Adolf" mit dem Theater Lindenhof Melchingen im Studiotheater STUTTGART

am 26. Juni 2024

Der österreichische Autor Stefan Vögel schildert hier in ironischer Weise eine Begegnung im Gasthaus zwischen Chaim Eisenberg (Israeli mit deutschen Wurzeln) und dem Bauern Adolf Oberhuber. Vögel möchte sein Werk nicht als "Lehrstück" verstanden wissen. Es geht vieilmehr um das Schweigen der Mehrheit in der dunklen Zeit des Dritten Reiches.

 

Copyright: Studio Theater Stuttgart

Chaim wird von Martin Olbertz sehr wandlungsfähig gespielt, während den Bauern Adolf Franz Xaver Ott recht burschikos verkörpert. Den Gastwirt Martin mimt verschlagen Peter Höfermayer. Eisenberg kommt zum wiederholten Mal zum Wandern ins Schwabenland, er sucht einen adäquaten Schachpartner. In der Regie von Franz Xaver Ott können sich die psychologischen Spitzfindigkeiten der Handlung gut entfalten. Der Name Adolf löst bei dem Juden Chaim natürlich Skepsis aus - trotzdem lässt er sich auf eine Schachpartie ein. Adolf entpuppt sich als schlagfertiger Partner mit Witz und Humor.

Doch bei dem Spiel entwickelt sich auch eine vertrackte Suche nach der Vergangenheit. Es geht natürlich um die Zeit des Nationalsozialismus und beide Schachpartner geraten plötzlich in Streit: "Sie unterstellen uns eine Mitschuld!" Schließlich kommt heraus, dass beide miteinander verwandt sind. Chaim betont: "Ich habe die Beweise!" Doch Adolf glaubt ihm zunächst nicht und hält die ganze Sache für unmöglich. Hier steigert sich der dramaturgische Spannungsbogen ganz erheblich. Der Gastwirt Martin unterstreicht schließlich die Glaubwürdigkeit Chaims, indem er Dokumente bringt. Adolf ist sprachlos, dann ist er jedoch zur Versöhnung bereit und scherzt sogar mit seinem israelischen Cousin.

Das Schachspiel spielt zuletzt überhaupt keine Rolle mehr, denn die beiden Männer sind nur noch mit der Suche nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen beschäftigt. Schließlich machen sie sich gegenseitig Geschenke und "duzen" sich. Und Oberhuber möchte mit Adolf Hitler natürlich nichts zu tun haben. Dann erfährt man auch etwas über den Großvater  Adolf und seine herrische Frau, die als "General" der Familie galt. Dieses wichtige Stück wurde 2019 übrigens mit dem Publikumspreis der Hamburger Privattheatertage ausgezeichnet.

In einer Zeit des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland enthält es die wichtige Botschaft, dass es immer einen Weg zur Versöhnung gibt. Das Ansehen Deutschlands in Israel ist in den letzten Jahren gestiegen, während das Misstrauen gegenüber Juden hierzulande wieder wächst.

Die rustikalen Kostüme von Ilona Lenk passen zum fast nostalgischen Bühnenbild, an dessen Wänden zwei Gitarren hängen. Dann erklingt auch das Lied "Auf das Leben" ("L'Chaim"): "A glezele lekhayim..." ("Ein Gläschen auf das Leben..."). Themen wie Schuld, Scham, Sühne, Täter und Opfer sowie Zwangsarbeiter und Konzentrationslager werden bei diesem konzentrierten Spiel ganz bewusst nicht ausgespart.

Zuletzt "Bravo"-Rufe und viel Applaus.
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GESPENSTER UND ATEMLOSE SPANNUNG -- "Falsche Schlange" von Alan Ayckbourn im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

Eine Prodfuktion von Tournee-Theater Thespiskarren - Theater im Rathaus Essen. - In der subtilen Regie von Gerit Kling bekommt dieser Psycho-Thriller rasch scharfe Kontur. Annabel Chester kehrt nach…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUCH DIE BILDENDE KUNST IST PRÄSENT -- Ludwigsburger Schlossfestspiele 2025

Die Festspielzeit 2025 wird am Samstag, 31. Mai 2025 mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Joana Mallwitz im Forum am Schlosspark eröffnet. Neben Schuberts "Großer C-Dur-Sinfonie"…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINE SCHWINGUNGEN -- "Wege in die Gegenwart" - Gitarrenmusik des 20. und 21. Jahrhunderts im Kammermusiksaal der Musikhochschule STUTTGART

Gitarren-Musikstudenten der Klasse von Tillmann Reinbeck stellten sich im Kammermusiksaal der Musikhochschule vor. Der Abend begann mit "Quatre pieces breves" aus dem Jahre 1933 von Frank Martin. Das…

Von: ALEXANDER WALTHER

PEITSCHENDE RHYTHMEN -- Symphonieorchester unter Juraj Valcuha im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Ein sehr russisches Programm präsentierte das glänzend disponierte SWR Symphonieorchester unter der Leitung des slowakischen Dirigenten Juraj Valcuha diesmal in der Liederhalle. Zunächst erklang die…

Von: ALEXANDER WALTHER

VON HÄNDEL BIS MORALES -- Neue CD "Trumpet Consort" mit Matthias Höfs und Ensemble bei Berlin Classics erschienen

Der berühmte Trompeter Matthias Höfs versammelt für sein neues Album "Trumpet Consort" zwei Dutzend Trompeter und Trompeterinnen um sich - darunter auch Studierende seiner Trompetenklasse der…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑