Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
TÄNZERISCHE ELEGANZ UND GLANZ -- Stuttgarter Ballett mit Choreografien von Hans van Manen "Fünf für Hans"im Opernhaus STUTTGARTTÄNZERISCHE ELEGANZ UND GLANZ -- Stuttgarter Ballett mit Choreografien von...TÄNZERISCHE ELEGANZ UND...

TÄNZERISCHE ELEGANZ UND GLANZ -- Stuttgarter Ballett mit Choreografien von Hans van Manen "Fünf für Hans"im Opernhaus STUTTGART

Premiere am 24. Mai 2025

Die wichtige Kunst des Weglassens spielt bei dem 1932 geborenen niederländischen Choreografen Hans van Manen eine große Rolle. Es ist eine Mischung von neoklassischem Ballett mit modernen Tanztechniken, die auch bei "Adagio Hammerklavier" vorherrschen. Hier steht der zweite Adagio-Satz der berühmten "Hammerklavier-Sonate" Nr. 29 in B-Dur op. 106 von Ludwig van Beethoven im Mittelpunkt. Ein hoch in die Luft geworfener Spagat dominiert bei dieser unverwechselbaren Arbeit. Alles wirkt geradezu zeitlos modern, schwebend, sphärenhaft.

 

Copyright: Roman Novitzky

Trotz der Reduzierung werden auch hier zwischenmenschliche Beziehungen und erotische Spannungen sichtbar. Machtkämpfe, Verletzlichkeit und Zärtlichkeit gehen in suggestiver Weise ineinander über.  Der mystische Zauber des Adagio-Satzes wird hier tänzerisch tatsächlich als heiliger Tempel  beschworen. Sphärenhaftes Himmelblau dominiert. Das fast religiöse Gefühl des erhabenen Melos kommt nicht zu kurz. Zwei Klangebenen und zwei Welten des Gefühls ergänzen sich gegenseitig. Dieses Adagio in fis-Moll entfaltet tatsächlich einen hypnotischen Zauber, der bis zur Coda anhält. Olga Khoziainova spielt das Solo-Piano einfühlsam. Und die Tänzer Anna Osadcenko, David Moore, Miriam Kacerova, Fabio Adorisio, Elisa Badenes und Jason Reilly beschwören die mythische Aura eindringlich.

Ein ausdrucksstarker Pas de deux beherrscht "Two Pieces For Het" mit der subtilen Musik von Erkii-Sven Tüür ("Illusion") und  Arvo Pärt ("Psalom"). Da spürt man auch die elektrisierende innere Bewegungskraft der beiden Tänzer Mackenzie Brown und Marti Paixa. Klare Linien herrschen trotzdem vor, was typisch für Hans van Manen ist. Bühne und Kostüme von Keso Dekker lassen Tanz und Musik ganz zusammenwachsen. Die Choreografie zu "Trois Gnossiennes" von Erik Satie besitzt ebenfalls einen fast magisch wirkenden Pas de deux, der den Tänzern aber auch viel Freiraum lässt.  Der Zauber arabisierender Melodik blitzt tänzerisch überaus leuchtkräftig hervor. Die Bühne von Jean-Paul Vroom und die Kostüme von Joop Stokvis schaffen unendliche Weiten, die auch das einfühlsame Solo-Piano von Chie Kobayashi wirkungsvoll einfängt. Die Tänzer Elisa Badenes, Friedemann Vogel, Anton Tcherny, Carlos Strasser und James Platts bilden eine magische Einheit.

Bei der grandiosen Choreografie zu Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 1 in h-Moll für Violine solo BWV 1002 tanzen die Tänzer in schnellen Sprüngen rasant um die Wette! Das wirkt in den Kostümen von Keso Dekker alles atemlos und ungeheuer mitreissend.  Die drei hochbegabten Tänzer Henrik Erikson, Fabio Adorisio und Matteo Miccini inspirieren sich gegenseitig. Bei der Corrente dominiert Einheitlichkeit und Geläufigkeit gleichermaßen in einer auf- und absteigenden Achtel-Bewegung.

Zuletzt begeistert die hochkonzentrierte Choreografie zu Benjamin Brittens "Varations on a Theme of Frank Bridge" op. 10 mit Bühne und Kostümen von Keso Dekker. Paare und Körperlinien haben eine skulpturale Note, sie erhalten einen schwebenden Zustand. Lange Linien herrschen auch hier vor. Einflüsse von Gustav Mahler und hohes technisches Können setzt die Kompanie facettenreich um. Die zehn Variationen mit ihrem idyllischen Thema werden immer wieder in raffinierter Weise verfremdet und abgewandelt. Italienische Arie, Wiener Walzer, Trauermarsch und Perpetuum mobile ergänzen sich gegenseitig. Vor allem der unbeschreibliche Zauber der Fuge erfährt durch das Stuttgarter Ballett eine krönende Virtuosität. Die Tänzer Rocio Aleman, Marti Paixa, Agnes Su, Adhonay Soares da Silva, Vittoria Girelli, Mizuki Amemiya, Alicia Torronteras, Martino Semenzato, Christopher Kunzelmann und Satchel Tanner berühren einen Kosmos zwischen Himmel und Erde. Bewegliche Eleganz und Glanz stehen überall im Mittelpunkt. Das Staatsorchester

Stuttgart unter der kompetenten Leitung von Wolfgang Heinz begleitet die Kompanie in ausgezeichneter Weise. Zuletzt wurde Hans van Manen auf der Bühne für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ovationen, "Bravo"-Rufe und viele Blumen!
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 19 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

Im Märchenwald -- "Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare vor dem Schauspielhaus Düsseldorf

Was wäre besser geeignet für eine Freiluftaufführung als ein Stück über Liebe und Liebeswirrungen? So hat wohl auch das Düsseldorfer Schauspielhaus gedacht und für die diesjährige Sommersaison William…

Von: Dagmar Kurtz

MIT SPHÄRENHAFTER LEUCHTKRAFT -- Chopin-Klaviersonaten mit Benjamin Grosvenor bei Decca

Der britische Pianist Benjamin Grosvenor stellt auf seinem neuen Album ausschließlich Klaviermusik von Frederic Chopin vor. Es ist das neunte Album, das der Künstler beim Label Decca veröffentlicht.…

Von: ALEXANDER WALTHER

ERSTAUNLICHE KLANGVIELFALT -- Neue CD: Dmitri Schostakowitsch - Jazz-Suiten, Ballett-Suiten und Konzerte bei Capriccio

Die Qualität der Suite für Jazz-Orchester Nr. 2 ("Suite for Variety Orchestra") aus dem Jahre 1938 von Dmitri Schostakowitsch ist in der Aufnahme mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der…

Von: ALEXANDER WALTHER

ABSTURZ DER AUTODYNASTIE -- "CITE D'OR - Aufstieg und Fall der Stadt Stuttgart" als Koproduktion des Theaters Rampe mit der Staatsoper Stuttgart im ehemaligen Autohaus in der Metzstraße STUTTGART

"Wie geht's mit der Industrie weiter?" Das transnationale Theater- und Tanzensemble "La Fleur" stellte diese zentrale Frage in der temperamentvollen Regie von Monika Gintersdorfer und in seiner…

Von: ALEXANDER WALTHER

PACKENDE AUFSPALTUNG DER FIGUR -- "Lulu" von Alban Berg und Frank Wedekind mit dem Ensemble der Opernschule der Musikhochschule im Wilhelmatheater STUTTGART

Der Regisseur Bernd Schmitt hat die schillernde Figur der Lulu gleich in vier Personen aufgeteilt. Das ist ein neuer und durchaus spannender Ansatz. Zunächst erscheint Lulu als Clown (Alba Valdivieso…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑